Denkmalschutzgesetze vs. DB-Konzernrichtlinien

Antworten
eta176
Präsident der Deutschen Bundesbahn B11
Beiträge: 9331
Registriert: Do 21. Jun 2007, 19:52

Denkmalschutzgesetze vs. DB-Konzernrichtlinien

Beitrag von eta176 »

Um den Beitragsbaum »EStW Obere Lahn [Sammel]« jetzt nicht abdriften zu lassen, öffne ich zu dem Thema
Denkmalschutz - und daraus hoffentlich entstehenden weiteren Diskussionsbeiträgen - einen neuen Thread.
Zunächst noch mal meine einleitenden Infos und die erste Reaktion dazu von User jojo54 als Zitat und erste
Antworten:

Umfangreiche Gespräche und Abstimmungen erfolgen aktuell zwischen der Unteren Denkmalschutzbehörde
des Kreises Limburg-Weilburg und den Projektverantwortlichen der DB. Da der hessische Abschnitt der Lahn-
talbahn (im Kreis LM-Weilburg bereits seit 1993) als Denkmal im Sinne einer Sachgesamtheit unter Schutz
steht, sollen die mech. Stellwerke, aber auch besondere Signalgruppen (wie z.B. Einfahrsignal-Ensemble und
Rangiersignal von Löhnberg) mit besonderer Vorsicht abgebaut und gelagert werden, um sie zu einem späte-
ren Zeitpunkt - in Verbindung mit den in den Gebäuden zu erhaltenden Stellwerken - zeigen zu können.

Dazu hat sich am 17. Juni im Bistro des Bahnhofs Aumenau ein neuer Verein gegründet, der unter dem Namen
"Eisenbahn-Technik-Lahntal" die Gemeinnützigkeit und Eintragung ins Vereinsregister gerade beantragt. Am
Donnerstag (27.06.) gab es ein kurzfristig zustandegekommenes, sehr informatives Treffen mit dem Eigen-
tümer des Empfangsgebäudes von Löhnberg, der Denkmalpflege und der DB InfraGO.
Dabei wurde festgelegt, dass es - wie auch in den vier Planfeststellungsbescheiden beschrieben - nach der Außer-
betriebnahme der mech. Stw. zum Dienstende am Fr. 05.07.2024 (nach 15 Uhr) zu keinerlei Rückbauten an den
Stellwerken zwischen Solms und Runkel kommen darf - auch nicht durch MA des DB Signalwerkes Wuppertal :!:
.
jojo54 hat geschrieben: Fr 28. Jun 2024, 16:51 Bei allem Verständnis: Das kann man nicht alles erhalten

Etwas Realität wäre vielleicht angebracht.

Man sollte nicht zu euphorisch sein und glauben, dass ein neu gegründeter Verein die gesamte historische Stellwerks-
technik zwischen Leun und Runkel erhalten kann. Dazu dürften die finanziellen Mittel und das Man-Power fehlen.
Nicht daran zu denken, wenn noch Mietkosten für die Räume anfallen, wo die alten Stellwerke dann nutzlos rumstehen.
Da wird "DB Immo" nicht lange warten.

Wie viele Mitglieder hat denn der neue Verein und wie setzt sich der Vorstand zusammen?

Weniger ist manchmal mehr und man sollte sich auf das wesentliche konzentrieren. Oft genug gab es bei bestimmten
Rettungsaktionen danach "lange Gesichter", das Vorhaben scheiterte und das gesammelte Material musste entsorgt werden.

Dass Mitarbeiter des Signalwerkes Wuppertal keine Ersatzteile gewinnen dürfen, halte ich nicht für glücklich und das
birgt zudem ein gewisses Konfliktpotential. Ob das der richtige Weg ist ?

Hoffen wir für alle Beteiligten das Beste.


MfG
jojo54
Zur Realität und den Fakten:
■ Der hessische Abschnitt der Lahntalbahn ist "Denkmal im Sinne einer Sachgesamtheit" gem. Hess. Denkmal-
gesetz. Dazu gehören auch die techn. Ausstattungen der Leit- und Sicherungstechnik, wie Stw und Signale.

■ Aufgrund der von DB Immo schon vor Jahren erfolgten Verkäufe sind die meisten EG im Privatbesitz und
DB Netz/InfraGO hat jetzt schon deutlich höhere Mietzahlungen geleistet, als die Verkäufe erbracht haben.

■ Entgegen der Aussage der DB-Projektverantwortlichen, dass gem. einer "DB Konzernrichtlinie" nach der ABN
"grundsätzlich" die gesamte LST rück- und nur einige ausgesuchte Teile durch das DB-Signalwerk ausgebaut
werden, widerspricht eindeutig dem Denkmalschutz. Signalwerk: Vom Typ Bruchsal J gibt es nach der ABN an
der Lahntalbahn noch 14 andere im Netz der DB, die allesamt in den nächsten Jahren von EStW abgelöst wer-
den. Bei einem akuten Bedarf dürfte ein Ausbau möglich sein, aber in der Vergangenheit gingen ganze Palet-
ten auf den Schrott, die eigentlich (wie jetzt Riegelsperren für E43 in Rüsselsheim) noch gebraucht wurden :roll:

EINSCHUB NEGATIVBEISPIEL:
In Hessen können wir in diesem Jahr das Jubiläum "50 Jahre Hess. Denkmalschutzgesetz" begehen, das 1974
eingeführt wurde und ohne das wir in Hessen viele einzigartige Kulturdenkmäler heute gar nicht mehr hätten.
Für das gesamte Land gibt es Denkmal-Topographien in Buchform - und bundesweit m.W. einzigartig - eine
dreibändige Denkmal-Topographie zu Eisenbahnen.
Im Heft 1/2024 der Zeitschrift DENKMAL gibt es einen doppelseitigen Artikel unter der Überschrift:
Das Zentralstellwerk des Frankfurter Hauptbahnhofs
EIN LEUCHTTURM DER TECHNIK
:arrow: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/i ... 4731/99827 (pdf, 333KB)
Darin sieht man rechts das Foto der vollkommen ausgeräumten Kanzel und man fragt sich, was ist da noch
"Leuchtturm der Technik", wenn ich mir im Vergleich die Fotos bei Stellwerke.info (aus 1992) anschaue:
:arrow: https://stellwerke.info/stw/stw.php?id=6866 ... die Außerbetriebnahme erst am 25.11.2005 erfolgte
und heute nur noch eine "leere Hülle" vorhanden ist, in der sich nichts mehr ablesen oder nachvollziehen lässt.
EINSCHUB Ende.

■ In die noch bestehenden (und nicht gekündigten) Mietverhältnisse kann und will der Verein nicht einsteigen,
aber bei Lösungsansätzen unterstützen, auch Ideengeber und ggf. Vermittler sein. Aber was weg ist - ist weg!

Über die Zusammensetzung des Vereinsvorstandes, Vereinsziele, Satzung, Mitgliedsbeiträge etc. wird es hier
in Kürze (nach der Eintragung) weitere Infos geben. Vorab: Der Verein hat seinen Sitz in Löhnberg und ich bin
n i c h t der Vorsitzende :P . An der Gründungsversammlung haben 16 Pers. teilgenommen, von denen sich 14
in eine Mitgliederliste eingetragen hatten.
Und ganz wichtig: Der neue Verein ist keine Konkurrenz zur "Arge Mechanische Stellwerke e.V.", die sich zunächst
um Balduinstein Bo und jetzt vorbildlich um den Bf Rotenhain an der Oww-Bahn kümmert!

Soviel für den Moment
Hans-Peter
.
Grauwacke
Schaffner A2
Beiträge: 37
Registriert: Mo 1. Mai 2023, 20:01

Re: Denkmalschutzgesetze vs. DB-Konzernrichtlinien

Beitrag von Grauwacke »

Um hier noch etwas zu den Ausführungen von eta176 zu ergänzen:
Wie "dringend" das Signalwerk Wuppertal offenbar entbehrliche Bauteile benötigt, zeigte das Beispiel der LST-Werkstatt am Bahnhof Westerburg. Dort wurde vor ca. 8 Jahren ein Handlager mit teilweise nie eingebauten und noch original verpackten Bauteilen mechanischer Stellwerke und BÜ-Schaltanlagen in zwei Schrottcontainern der Fa. Schuy aus Limburg/Lahn entsorgt. Ich selbst habe mehrere Blicke in diese offenen Container werfen können. Darin befanden sich Signalbauteile, Schilder, Schaltanlagen, Bedienelemente mechanischer Stellwerke unterschiedlicher Bauformen, Bedienpulte, Relaisbaugruppen, Ersatzteile, Spezialwerkzeuge, Schlüsselschalter, Sperren, Schlösser und Schrauben, Kleineisen, etc. Zur Begründung hieß es damals, die DB Netz AG dürfe solche "schwarzen Läger" nicht mehr betreiben. Die Bauteile wären nicht in SAP gelistet und würden damit versteckte Kosten der Lagerhaltung erzeugen. Den ursprünglichen Beschaffungswert der auf dem Schrott entsorgten Bauteile habe ich seinerzeit überschlägig im hohen sechsstelligen Bereich verortet. Das waren alles einmal Steuergelder, die teilweise noch zu Bundesbahnzeiten investiert wurden. Mit welchem Recht wirft dieses sog. Unternehmen solche Bauteile auf den Schrott? Das ist eine systematische Vernichtung von Volkseigentum und gehört bestraft. Aber wie so oft interessiert es in diesem reichen Land ja niemanden, was da geschieht. Hätte das SW Wuppertal einen derart hohen Bedarf an Bauteilen, warum hat man das Lager in Westerburg nicht aufgelöst und nach Wuppertal überführt? Von daher kann ich diesen Unsinn, von wegen Wuppertal benötigt solche Teile im Rahmen der Materialrückgewinnung nicht mehr hören. Im Bahnhof Rotenhain hieß es im Jahre 2017 auf Anfragen des Vereins der ARGE mechan. Stellwerke e.V., ob man ein paar zurückgebaute Formsignale zum Schrottpreis ankaufen könne auch, die Signale gingen zur Aufarbeitung nach Wuppertal. Ein paar Wochen später hatte sie ein Schrotthändler noch vor Ort mit dem Schneidbrenner zerteilt und entsorgt. Es gibt offenbar Menschen bei der DB No Go AG, die einen abgrundtiefen Hass auf alles und jeden haben, die am Erhalt historischer Eisenbahntechnik interessiert sind. Und man erfreut sich einem Fetisch gleich daran, diese Bauteile vor den Augen interessierter Eisenbahnfreunde zu vernichten.
Knipser1
Oberrat A14
Beiträge: 2045
Registriert: Mo 15. Mai 2006, 21:42

Re: Denkmalschutzgesetze vs. DB-Konzernrichtlinien

Beitrag von Knipser1 »

Hallo zusammen!

Also erstmal: Hut ab vor dieser "Rettungs" -Aktion!

Nachdem es die Stellwerke und die Signaltechnik zwischen Niederlahnstein und Limburg ja mehr oder weniger fast komplett "dahingerafft" hat, bin ich sehr froh darüber, dass zumindest an der mittleren Lahn diese Technik in musealer Form erhalten werden kann, gerade das es sich ja um seltene Bauformen handelt.

Aufgrund der Erfahrungen mit Bo und jetzt auch Rotenhain weiß ich ja, welchen Einsatz (finanziell und personell) bedarf, auch nur 1 Stellwerk zu erhalten.

Zwischen den Zeilen lese ich aber heraus, dass es an der Lahn 4 Vorteile gibt:

a) der Rückbau wird nicht im üblichen "DB-Tabula-Rasa-Verfahren" gemacht und man kann möglichst viel Technik vor Ort erhalten (wenn ich aktuell sehe, wie mühsam wir das Stellwerk in Rotenhain wieder neu "verkabeln", ist gerade der elektrische Stellwerksteil deutlich aufwändiger wiederherzurichten als "nur" die Mechanik)

b) die entsprechende Immobilien sind oft in Privatbesitz und Mietkosten sind da überschaubar oder gar nicht erst aufzubringen. Auch wenn ich mich Frage, wie das in der Blechbude von Arfurt und dem Westerburg FDL-Stellwerk zwischen den Gleisen genau klappt - aber man wird sich Gedanken gemacht haben.

c) auch die Signaltechnik bleibt mehr oder weniger vor Ort. Erstens ist es fast unmöglich, funktionsfähige Signale zu beschaffen und Zweitens bedeutet jedes Signal mehr oder weniger einen teuren Schwertransport (Kran, Sattelauflieger...). Unglaublich, was die Dinger wiegen...

d) Vereins-Mitglieder scheinen ja von der Lahn oder im besten Fall aus dem gleichen Ort zu kommen bzw sogar die Eigentümer zu sein. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, da man mehr oder weniger täglich "nach dem Rechten schauen kann" und so Vandalismus & Co vorbeugt.

Daher drücke ich dem neuen Verein auf jeden Fall die Daumen.

Viele Grüße

Guido
Antworten