
Prag besuche ich seit Jahren regelmäßig, weil es (aus meiner Sicht) eine schöne Stadt ist - auch und vor allem abseits des Zentrums. Dazu kommt ein ausgedehntes ÖPNV-Netz und natürlich die Eisenbahn, die immer noch ein bisschen Historie zu bieten hat. Aber auch dort wird das von Jahr zu Jahr weniger...
Eines noch vorab: Ich bin weit davon entfernt, mich als Profi-Fotograf bezeichnen zu können, deshalb bitte ich die Qualität einiger (/aller?) Bilder zu entschuldigen.
- Tag 1: Freitag, 11. Juli 2014 -
Von Dresden aus kommt man eigentlich am schnellsten mit dem EC nach Prag, doch das ist mir zu langweilig. Stattdessen wählte ich die Verbindung mit dem Nahverkehr bis Děčín und von dort weiter mit dem Schnellzug. Abteilwagen mit Übersetzfenstern - was will man mehr?
Das kann man auf dieser Linie leider nur noch in der Woche genießen, am Wochenende wird mit Triebwagen gefahren. Und ab Dezember 2016 dann komplett, denn die Schnellzuglinien Cheb - Plzeň - Praha, Cheb - Karlovy Vary - Ústí nad Labem - Praha und Děčín - Praha werden zur Neuvergabe ausgeschrieben, gefordert sind Neubau-Triebwagen...

Was mir selten beschert wird, ist Wetterglück. Bis Bad Schandau mal mehr Sonne, mal mehr Wolken, dort schließlich bei drückender Schwüle aus der S-Bahn gestiegen. Es dauerte nicht lange, bis ein Gewitter heranzog und ich mitten im dicksten Regenguss (Sichtweite zum Teil unter 50 m) zum Anschlusszug gehen musste. Nur eine halbe Minute, doch ich war klatschnass... Leider blieb es dann während der restlichen Fahrt durch Elb- und Moldautal verregnet, erst nach der Ankunft in Prag klarte es wieder auf.

Im Stadtteil Praha-Podbaba wird gerade ein neuer Bahnhof gebaut, deshalb steht im Bahnhof Praha-Bubeneč, der dafür geschlossen wird, nur ein Gleis zur Verfügung. Also erstmal Kreuzung des Gegenzugs abwarten...

Im Prager Hbf warteten diese beiden Bastarde auf ihre weitere Aufgabe: 371 005 "Pepin" und 371 015 "Václav". Eine brachte den nächsten EC nach Dresden und von dort den CNL 458 nach Leipzig, die andere den EN/CNL 456 nach Berlin. Beide Züge (sowie die 457 und 459 in der Gegenrichtung) sind die einzigen 371-Leistungen, die noch über Dresden hinaus reichen - nach Leipzig Mo-Fr sogar mit tschechischem Lokführer. Aber die Tf von DB Fernverkehr in Dresden fahren ja auch schon seit einiger Zeit bis nach Prag durch.

Für mich war im Hbf noch nicht Schluss, ich musste noch mit der S-Bahn bis zum Bf Praha-Hostivař weiter, wo mich dieser Besuch aus der Slowakei "begrüßte":

556 036 wurde gerade für ihren Einsatz am nächsten Tag angeheizt.
- Tag 2: Samstag, 12. Juli 2014 -

Die "Stadtlinie" S 41 verkehrt an Wochentagen mit einem Triebwagen der Reihe 451/452 zwischen Roztoky u Prahy und Praha-Libeň, an Wochenenden nur mit einer Brotbüchse, dafür aber weiter bis Praha-Hostivař. 809 657 ist gerade dort angekommen.
Allerdings fuhr sie mir meinen ausgesuchten Fotopunkt zu. Mein Zug hatte Verspätung und ich wollte die verbleibende Zeit noch ein bisschen zum Fotografieren nutzen. So ging ich dann weiter nach hinten...

Als nächstes kam der R 637 "František Křižík" nach Budweis durchgefahren, ihn zog 362 110 mit Werbelackierung in eigener Sache. (R = Schnellzug)

Mit fast 25 Minuten Verspätung kam dann endlich auch mein Zug: Der Sp 1831 "Jordán" nach Tábor, gezogen von 363 132. Mich interessierten allerdings nur die hinteren 4 Wagen, die in Čerčany abgehängt wurden und auf den Os 9207 nach Zruč nad Sázavou übergingen. (Sp = Eilzug, Os = Personenzug)
Der eigentliche Grund meiner Mitfahrt hing ab Čerčany vor dem Zug:

749 006 bespannt zur Zeit jedes Wochenende die Leistung Os 9207 (Sa) und Sp 1832 (So), hier vor dem 9207 beim Kreuzungshalt in Ledečko. Sie wurde als vorletzte von 5 Vorserienloks des ursprünglichen Typs T478.1 (heute Reihe 749/751) gebaut, und befindet sich als einzige davon noch im regulären Einsatz.
Einige Maschinen, darunter auch die beiden Prototypen sowie 751 004, befinden sich schon länger im Bestand diverser Museen, stehen dort allerdings nicht nur herum

Dass die 006 seit ein paar Wochen wieder rote Sterne trägt, deutet möglicherweise auf ihren baldigen musealen Ruhestand hin. Vielleicht waren es aber auch nur die Prager Lokführer, die ihren Liebling entsprechend geschmückt haben.

Diese ersten 7 Loks unterscheiden sich von den Serienmaschinen durch ihre rundlichere Form. Ähnlich wie bei uns die V160 ihren Spitznamen "Lollo" bekam, war es bei diesen Loks der Name "Bardotka", in Anlehnung an die Oberweite der Schauspielerin Brigitte Bardot. Bei den kantigeren Serienloks ist dagegen der Name "Zamračená" geläufiger, auf Deutsch auch "Finstergesicht".
Der planmäßige Einsatz der Reihe 749 endete eigentlich zum Fahrplanwechsel im Dezember 2013, was die Lokführer auf diesen Maschinen in den vorhergehenden Wochen (und ganz besonders am Samstag vor dem Fahrplanwechsel) entsprechend zelebrierten. Dennoch war von vornherein abzusehen, dass das nicht gleichzeitig ihr Einsatzende sein würde.
Prag hat außer der 006 noch 3 weitere Maschinen der Reihe 749 im Bestand, die fleißig im Plan der Reihe 754 mitschwimmen und auch häufig als Ersatz für Triebwagen der Reihe 854 zum Einsatz kommen.

Angekommen in Zruč nad Sázavou, Sonne mal wieder weg. Hier war Schluss, den weiteren Laufweg des Os 9207 übernimmt planmäßig eine Brotbüchse mit Beiwagen - an diesem Tag 810 608 links im Bild.
Das schönste an den 749/751 ist der brachiale Sound, den der eingebaute 6-Zylinder-Reihenmotor entfesselt - immerhin 6x 27,1 l Hubraum! Und ein Großteil dieser Loks bekam nie einen Schalldämpfer eingebaut...
Vom Umsetzen dort habe ich ein Video gemacht, aufgrund der knappen Zeit leider freihand: https://www.youtube.com/watch?v=mtfKqOu4bo0
Etwas ärgerlich fand ich den Wageneinsatz an diesem Wochenende. Planmäßig wären es unmodernisierte Görlitzer Doppelstockwagen gewesen, deren Klappfenster man teilweise ganz öffnen und den Kopf herausstecken kann. Stattdessen kamen die Anfang der '90er in Bautzen gebauten Bdmtee-Wagen (in Tschechien "Honeckers letzte Rache" genannt, auch wenn sich mir der Hintergrund nicht erschließt - es sind recht komfortable Fahrzeuge) zum Einsatz, bei denen das nicht möglich ist.

Angekommen im hübsch gepflegten Bahnhof Světlá nad Sázavou. Die komplette Strecke entlang der Sázava ist recht empfehlenswert. Man fährt durch eine idyllische Landschaft mal fast neben, mal hoch über dem Fluss, mal über Felder, mal durch Wald- oder Felsschluchten. Im Sommer sind viele Kanufahrer unterwegs, die Campingplätze gut belegt... und überall werden Eisenbahn und Insassen rege gegrüßt - nicht nur von Kindern. Es ist wie eine Fahrt durch eine andere Welt.

Interessant finde ich übrigens, dass man beim Redesign der Brotbüchsen die alten Klappfenster gegen nagelneue Übersetzfenster tauscht, wie man das auch schon bei der Modernisierung zu den Triebwagen der Reihe 814 "RegioNova" gemacht hat.

Manche Züge sehen etwas kurios aus, so wie z. B. die Personenzüge auf der Linie Kolín - Havlíčkův Brod, die aus einem Halbgepäckwagen und einem modernisierten Doppelstockwagen gebildet sind. 363 114 fuhr mit dem Os 5910 in Richtung Kolín (deutscher Name: Köln) ein.

Kurz vor der Rückfahrt kam noch 230 006 mit einem aus T-Wagen gebildeten Güterzug durchgefahren. Die Loks dieser Reihe sowie ihrer Nachfolgereihe 240 tragen den Spitznamen "Laminátka", weil ein Teil des Lokkastens aus GFK-Material besteht. Die aktuelle Lackierung von ČD Cargo steht ihnen gar nicht mal schlecht, wobei sie in ihren alten Lackierungen interessanter aussehen.
Ich beende an dieser Stelle den 1. Teil, Fortsetzung folgt...