Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Antworten
Benutzeravatar
Marcel Zehl
Betriebsassistent A5
Beiträge: 196
Registriert: Mi 25. Jan 2006, 12:14
Kontaktdaten:

Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von Marcel Zehl »

Was macht man am besten, wenn das Wetter während eines 3-wöchigen Sommerurlaubs nicht wirklich zum Baden taugt? Klar, man besucht sein Lieblings-Ziel im Ausland. OK... das ist ein bisschen weit hergeholt, aber ich habe mich so entschieden. :lol:
Prag besuche ich seit Jahren regelmäßig, weil es (aus meiner Sicht) eine schöne Stadt ist - auch und vor allem abseits des Zentrums. Dazu kommt ein ausgedehntes ÖPNV-Netz und natürlich die Eisenbahn, die immer noch ein bisschen Historie zu bieten hat. Aber auch dort wird das von Jahr zu Jahr weniger...

Eines noch vorab: Ich bin weit davon entfernt, mich als Profi-Fotograf bezeichnen zu können, deshalb bitte ich die Qualität einiger (/aller?) Bilder zu entschuldigen.


- Tag 1: Freitag, 11. Juli 2014 -

Von Dresden aus kommt man eigentlich am schnellsten mit dem EC nach Prag, doch das ist mir zu langweilig. Stattdessen wählte ich die Verbindung mit dem Nahverkehr bis Děčín und von dort weiter mit dem Schnellzug. Abteilwagen mit Übersetzfenstern - was will man mehr?
Das kann man auf dieser Linie leider nur noch in der Woche genießen, am Wochenende wird mit Triebwagen gefahren. Und ab Dezember 2016 dann komplett, denn die Schnellzuglinien Cheb - Plzeň - Praha, Cheb - Karlovy Vary - Ústí nad Labem - Praha und Děčín - Praha werden zur Neuvergabe ausgeschrieben, gefordert sind Neubau-Triebwagen... :(

Was mir selten beschert wird, ist Wetterglück. Bis Bad Schandau mal mehr Sonne, mal mehr Wolken, dort schließlich bei drückender Schwüle aus der S-Bahn gestiegen. Es dauerte nicht lange, bis ein Gewitter heranzog und ich mitten im dicksten Regenguss (Sichtweite zum Teil unter 50 m) zum Anschlusszug gehen musste. Nur eine halbe Minute, doch ich war klatschnass... Leider blieb es dann während der restlichen Fahrt durch Elb- und Moldautal verregnet, erst nach der Ankunft in Prag klarte es wieder auf.


Bild
Im Stadtteil Praha-Podbaba wird gerade ein neuer Bahnhof gebaut, deshalb steht im Bahnhof Praha-Bubeneč, der dafür geschlossen wird, nur ein Gleis zur Verfügung. Also erstmal Kreuzung des Gegenzugs abwarten...


Bild
Im Prager Hbf warteten diese beiden Bastarde auf ihre weitere Aufgabe: 371 005 "Pepin" und 371 015 "Václav". Eine brachte den nächsten EC nach Dresden und von dort den CNL 458 nach Leipzig, die andere den EN/CNL 456 nach Berlin. Beide Züge (sowie die 457 und 459 in der Gegenrichtung) sind die einzigen 371-Leistungen, die noch über Dresden hinaus reichen - nach Leipzig Mo-Fr sogar mit tschechischem Lokführer. Aber die Tf von DB Fernverkehr in Dresden fahren ja auch schon seit einiger Zeit bis nach Prag durch. :)


Für mich war im Hbf noch nicht Schluss, ich musste noch mit der S-Bahn bis zum Bf Praha-Hostivař weiter, wo mich dieser Besuch aus der Slowakei "begrüßte":
Bild
556 036 wurde gerade für ihren Einsatz am nächsten Tag angeheizt.


- Tag 2: Samstag, 12. Juli 2014 -

Bild
Die "Stadtlinie" S 41 verkehrt an Wochentagen mit einem Triebwagen der Reihe 451/452 zwischen Roztoky u Prahy und Praha-Libeň, an Wochenenden nur mit einer Brotbüchse, dafür aber weiter bis Praha-Hostivař. 809 657 ist gerade dort angekommen.
Allerdings fuhr sie mir meinen ausgesuchten Fotopunkt zu. Mein Zug hatte Verspätung und ich wollte die verbleibende Zeit noch ein bisschen zum Fotografieren nutzen. So ging ich dann weiter nach hinten...


Bild
Als nächstes kam der R 637 "František Křižík" nach Budweis durchgefahren, ihn zog 362 110 mit Werbelackierung in eigener Sache. (R = Schnellzug)


Bild
Mit fast 25 Minuten Verspätung kam dann endlich auch mein Zug: Der Sp 1831 "Jordán" nach Tábor, gezogen von 363 132. Mich interessierten allerdings nur die hinteren 4 Wagen, die in Čerčany abgehängt wurden und auf den Os 9207 nach Zruč nad Sázavou übergingen. (Sp = Eilzug, Os = Personenzug)


Der eigentliche Grund meiner Mitfahrt hing ab Čerčany vor dem Zug:
Bild
749 006 bespannt zur Zeit jedes Wochenende die Leistung Os 9207 (Sa) und Sp 1832 (So), hier vor dem 9207 beim Kreuzungshalt in Ledečko. Sie wurde als vorletzte von 5 Vorserienloks des ursprünglichen Typs T478.1 (heute Reihe 749/751) gebaut, und befindet sich als einzige davon noch im regulären Einsatz.

Einige Maschinen, darunter auch die beiden Prototypen sowie 751 004, befinden sich schon länger im Bestand diverser Museen, stehen dort allerdings nicht nur herum :wink: In Tschechien hat man noch was für die eigene Eisenbahnhistorie übrig...
Dass die 006 seit ein paar Wochen wieder rote Sterne trägt, deutet möglicherweise auf ihren baldigen musealen Ruhestand hin. Vielleicht waren es aber auch nur die Prager Lokführer, die ihren Liebling entsprechend geschmückt haben. 8)

Diese ersten 7 Loks unterscheiden sich von den Serienmaschinen durch ihre rundlichere Form. Ähnlich wie bei uns die V160 ihren Spitznamen "Lollo" bekam, war es bei diesen Loks der Name "Bardotka", in Anlehnung an die Oberweite der Schauspielerin Brigitte Bardot. Bei den kantigeren Serienloks ist dagegen der Name "Zamračená" geläufiger, auf Deutsch auch "Finstergesicht".


Der planmäßige Einsatz der Reihe 749 endete eigentlich zum Fahrplanwechsel im Dezember 2013, was die Lokführer auf diesen Maschinen in den vorhergehenden Wochen (und ganz besonders am Samstag vor dem Fahrplanwechsel) entsprechend zelebrierten. Dennoch war von vornherein abzusehen, dass das nicht gleichzeitig ihr Einsatzende sein würde.
Prag hat außer der 006 noch 3 weitere Maschinen der Reihe 749 im Bestand, die fleißig im Plan der Reihe 754 mitschwimmen und auch häufig als Ersatz für Triebwagen der Reihe 854 zum Einsatz kommen.


Bild
Angekommen in Zruč nad Sázavou, Sonne mal wieder weg. Hier war Schluss, den weiteren Laufweg des Os 9207 übernimmt planmäßig eine Brotbüchse mit Beiwagen - an diesem Tag 810 608 links im Bild.

Das schönste an den 749/751 ist der brachiale Sound, den der eingebaute 6-Zylinder-Reihenmotor entfesselt - immerhin 6x 27,1 l Hubraum! Und ein Großteil dieser Loks bekam nie einen Schalldämpfer eingebaut...
Vom Umsetzen dort habe ich ein Video gemacht, aufgrund der knappen Zeit leider freihand: https://www.youtube.com/watch?v=mtfKqOu4bo0

Etwas ärgerlich fand ich den Wageneinsatz an diesem Wochenende. Planmäßig wären es unmodernisierte Görlitzer Doppelstockwagen gewesen, deren Klappfenster man teilweise ganz öffnen und den Kopf herausstecken kann. Stattdessen kamen die Anfang der '90er in Bautzen gebauten Bdmtee-Wagen (in Tschechien "Honeckers letzte Rache" genannt, auch wenn sich mir der Hintergrund nicht erschließt - es sind recht komfortable Fahrzeuge) zum Einsatz, bei denen das nicht möglich ist.


Bild
Angekommen im hübsch gepflegten Bahnhof Světlá nad Sázavou. Die komplette Strecke entlang der Sázava ist recht empfehlenswert. Man fährt durch eine idyllische Landschaft mal fast neben, mal hoch über dem Fluss, mal über Felder, mal durch Wald- oder Felsschluchten. Im Sommer sind viele Kanufahrer unterwegs, die Campingplätze gut belegt... und überall werden Eisenbahn und Insassen rege gegrüßt - nicht nur von Kindern. Es ist wie eine Fahrt durch eine andere Welt. 8)

Interessant finde ich übrigens, dass man beim Redesign der Brotbüchsen die alten Klappfenster gegen nagelneue Übersetzfenster tauscht, wie man das auch schon bei der Modernisierung zu den Triebwagen der Reihe 814 "RegioNova" gemacht hat.


Bild
Manche Züge sehen etwas kurios aus, so wie z. B. die Personenzüge auf der Linie Kolín - Havlíčkův Brod, die aus einem Halbgepäckwagen und einem modernisierten Doppelstockwagen gebildet sind. 363 114 fuhr mit dem Os 5910 in Richtung Kolín (deutscher Name: Köln) ein.


Bild
Kurz vor der Rückfahrt kam noch 230 006 mit einem aus T-Wagen gebildeten Güterzug durchgefahren. Die Loks dieser Reihe sowie ihrer Nachfolgereihe 240 tragen den Spitznamen "Laminátka", weil ein Teil des Lokkastens aus GFK-Material besteht. Die aktuelle Lackierung von ČD Cargo steht ihnen gar nicht mal schlecht, wobei sie in ihren alten Lackierungen interessanter aussehen.



Ich beende an dieser Stelle den 1. Teil, Fortsetzung folgt...
Zuletzt geändert von Marcel Zehl am Mo 18. Aug 2014, 16:48, insgesamt 2-mal geändert.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit.
Horst Heinrich
Oberrat A14
Beiträge: 2194
Registriert: Sa 18. Okt 2008, 23:07

Re: Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von Horst Heinrich »

Ein gelungener Bericht, auch textlich, die gut formulierten Erläuterungen gefallen mir und geben viel Hintergrundinformationen wieder. Auch die Bilder sind ansprechend.
Vielen Dank für dieses Stimmungsbild aus einem unserer unterschätzten Nachbarländer!
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
Benutzeravatar
Dieselpower
Direktor A15
Beiträge: 2780
Registriert: Di 24. Dez 2013, 00:34
Kontaktdaten:

Re: Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von Dieselpower »

Auch von mir herzlichen Dank für diese Einblicke.
Bis auf ein paar Stippvisiten anläßlich des Tramper-Monats-Tickets ist mir die Tschechei weitgehend unbekannt. Sollte man evtl. ändern!
Meine Befürchtung jedoch: Wenn ich jetzt auf den Geschmack komme (viel zu spät quasi), wird mir auch dort die Modernisierung ("Plastifizierung") der Eisenbahn, welche zweifelsfrei leider kommen wird, auch wieder weh tun...und so werde ich bei meinen Auslandseinsätzen wohl weiterhin bei meinen beiden Hauptzielen GB und (endlich irgendwann mal wieder) HR bleiben.
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
"Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...!"
Konrad Adenauer
Benutzeravatar
Lochris
Oberrat A14
Beiträge: 2114
Registriert: Sa 10. Sep 2011, 18:39
Kontaktdaten:

Re: Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von Lochris »

Ich schließe mich an: Vielen Dank für die Fotos und die sehr guten Erläuterungen.

Viele Grüße,
Christian
Benutzeravatar
Marcel Zehl
Betriebsassistent A5
Beiträge: 196
Registriert: Mi 25. Jan 2006, 12:14
Kontaktdaten:

Re: Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von Marcel Zehl »

Danke schon mal für das erste Feedback - ich mache mal mit dem 2. Teil weiter.

Vom 3. Tag gibt es nichts zu berichten, denn ich war mit einem anderen Hobby beschäftigt: Wandern. Allerdings keine große Tour, ich habe nur den nahe gelegenen Stausee Hostivař erkundet. Eine Auszeit von der Eisenbahn muss ja auch mal sein.. :lol:

Weiter geht's also mit dem 4. Tag (Mo, 14.07.2014). Eigentlich hatte ich vor, wenigstens einen Tag mal eine richtige Fototour an eine der zahlreichen Strecken zu unternehmen, doch das wechselhafte Wetter ließ das kaum zu. Deshalb habe ich mich nur im Stadtgebiet "herumgetrieben".


Alte Stellwerkstechnik gibt's natürlich nicht nur in Deutschland. Da der Fdl Praha-Hostivař auch die Zugaufsicht wahrnimmt, steht die Tür häufig offen. Ein Blick nach innen zeigt uns sein Arbeitsgerät:
Bild
Bei der Bauform handelt es sich um einen österreichischen Rank-Apparat.


Bild
Beim Warten auf die nächste S-Bahn stadteinwärts kam - leider aus dem Gegenlicht - 130 030 mit einem KLV-Zug vom Umschlagbahnhof Praha-Uhříněves durchgefahren.


Bild
Keine Eisenbahn, aber auch ein Schienenfahrzeug, das prägend zum Prager Stadtbild gehört: Eine Traktion des Typs T3SUCS auf der Linie 26, zwischen den Haltestellen Kubánské Náměstí (Kubanischer Platz) und Průběžná.
Anders als in Deutschland, sind in einigen tschechischen Städten auch noch unmodernisierte Tatras anzutreffen. Der Typ T3SUCS entstand aus einer Bauserie für die Sowjetunion, die dann auch für die Tschechoslowakei gebaut wurde.


Bild
Ein Teil der T3 wurde zum Typ T3R.PLF modernisiert, bei dem ein Niederflur-Mitteilteil eingebaut und das Fahrzeug um ein Fenster verlängert wurde. Als 2. Fahrzeug ist üblicherweise ein passend lackierter T3R.PV oder T3R.P gekuppelt. Diese Traktion überquerte gerade den Kubanischen Platz.


Bild
Auch die moderne Traktion darf nicht fehlen. Die Firma ČKD Tatra gibt es längst nicht mehr, neue Straßenbahnen werden bei Škoda Transportations in Pilsen gebaut, sofern man nicht im Ausland (Deutschland) einkauft. Vom aktuellsten Model "ForCity" gibt es unterschiedliche Ausführungen, in Prag ist die Variante "ForCity Alfa" als Typ 15T unterwegs.
Über die Optik kann man sich streiten - mir gefallen diese Fahrzeuge aber deutlich besser, als der Vorgängertyp 14T. Einziges Manko sind für mich die Holzsitze mit glatter Oberfläche, auf der man bei jeder Fahrzeugbewegung herumrutscht.

Linie 7 zwischen den Haltestellen Slavia und Kubánské Náměstí.


Bild
Ein optischer Leckerbissen waren immer die Ur-T3 mit ihren verchromten Stoßstangen und dem außen aufgesteckten Linienschild. Zwar sind diese seit letztem Jahr nicht mehr im Einsatz, dennoch muss man auf den Anblick nicht verzichten - die auf dem Bild zu sehende Ausführung T3M ist weiterhin unterwegs.
Dabei handelt es sich um Fahrzeuge, die zwar antriebstechnisch modernisiert wurden (erkennbar am Kasten auf dem Dach), ansonsten aber außen und innen weitgehend im Originalzustand daherkommen - inklusive der GFK-Sitzschalen.

Linie 17 an der baustellenbedingt außerplanmäßigen Endstelle Nádraží Braník (Bahnhof Braník).


Bild
Am gleichen Ort noch ein 15T auf der Baustellen-Sonderlinie 33.


Die Eisenbahnbrücke über die Moldau, die die Stadtteile Smíchov und Vyšehrad verbindet, ist - ähnlich wie die Hohenzollernbrücke - als dreiteilige Stahlbogenbrücke gebaut, allerdings nur zweigleisig. Auch sie kann man beidseitig begehen, wobei man immer einen interessanten Blick auf die Stadt hat:
Bild


Bild
Immer noch unverzichtbar sind die rustikalen Gleichstromtriebwagen der Reihen 451 und 452 - immerhin bis zu 50 Jahre alt. Im Bahnhof Praha Masarykovo traf ich die Einheit 451 056 + 098 an; einer von nur 2 Triebzügen, die noch die neue Lackierung erhalten haben. Passender Spitzname dieser Fahrzeuge: "Žabotlam" (auf Deutsch "Froschgesicht") oder auch "City Frog".
Anzutreffen sind sie - wie schon erwähnt - auf der Linie S 41, außerdem als Verstärker auf der S 4 zwischen den Bf Praha Masarykovo und Kralupy nad Vltavou. Ab und zu verirrt sich sogar mal einer auf die S9, die noch vor 2 Jahren ebenfalls Stammlinie war.

Die Nummern sind etwas durcheinander geraten, weil man die Fahrzeuge im Laufe der Zeit wild gekuppelt hat. Ursprünglich wurden sie vierteilig gebaut, später hat man sie zu 3- bis 6-teiligen Einheiten gekuppelt. Darunter litt allerdings die Beschleunigung, denn nur die Endwagen sind angetrieben.
Interessant ist auch hier die Geräuschkulisse, neben den Gleichstrommotoren vor allem das Schaltwerk, das ein bisschen an unsere Knallfrösche der BR 141 erinnert: https://www.youtube.com/watch?v=deNE3Iu9SQE

Natürlich fuhr ich eine Runde mit. Zumindest so weit, wie meine Fahrkarte es zuließ - also leider nur 3 Stationen bis zum Stadtrand.
Ein 24-Stunden-Ticket für die Stadt Prag kostet beim aktuellen Wechselkurs umgerechnet etwa 4 Euro, für das gesamte Verbundgebiet etwa 6,50 €. Es dürfen alle integrierten Verkehrsmittel benutzt werden; das sind neben Metro, Straßenbahn, Bus und S-Bahn auch diverse Schnellzüge!


Bild
Hp Praha-Sedlec, kurz vor der Rückfahrt fuhr 371 201 "Gottlieb" mit dem EC 172 "Vindobona" nach Hamburg-Altona durch.

Diese Lok hat eine interessante Geschichte. Gebaut wurde sie als 230 001 für die DR, wurde folglich zur 180 001, und landete - anders als ihre 19 Schwestern - bei DB Reise & Touristik, da sie für 160 km/h umgebaut wurde. Vor einigen Jahren wurde sie schließlich als Ersatz für eine in Deutschland verunfallte 371 an die ČD abgegeben, die sie lange Zeit noch in verkehrsrot einsetzte. Erst bei der letzten HU hat sie die damals aktuelle (und schon wieder veraltete) Lackvariante der ČD erhalten.
Die DB wurde auf diesem Weg einen ungeliebten Einzelgänger los, die ČD hingegen hat recht günstig eine Lok dazubekommen, denn die verunfallte Lok wurde wieder repariert. Generell werden in Tschechien und der Slowakei viele Unfallfahrzeuge wieder aufgebaut, die bei uns als Totalschaden auf dem Schrott landen würden. Selbst schwere Rahmenschäden sind kein Hindernis...


Hier beende ich den 2. Teil, einer wird noch folgen. :wink:
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit.
212 096
Präsident der Deutschen Bundesbahn B11
Beiträge: 4886
Registriert: Sa 12. Dez 2009, 16:33

Re: Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von 212 096 »

Hi Marcel,

wirklich klasse Motive und sehr vielseitige Dokumentation! Ich freue mich auf den dritten Teil.

Viele Grüße

Peter
Benutzeravatar
Marcel Zehl
Betriebsassistent A5
Beiträge: 196
Registriert: Mi 25. Jan 2006, 12:14
Kontaktdaten:

Re: Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von Marcel Zehl »

Der 3. Teil ist längst überfällig, doch bislang habe ich es einfach nicht geschafft... nun aber!


- Dienstag, 15.07.2014 -

Wieder war das Wetter zu wechselhaft, um eine richtige Fototour zu machen, also musste ein Ersatzprogramm her.
Seit Jahren macht sich jemand die Arbeit, einige Fahrzeugumlaufpläne in einem Blog ins Netz zu stellen: http://sledovanihv.blogspot.cz/. Manche Pläne werden erst nachträglich (am Abend oder an den Folgetagen) aktualisiert, manche jedoch auch zeitnah oder sogar im Voraus (spätestens am Morgen).

Ein Blick in den Plan der BR 749 verriet mir, dass an diesem Tag gleich 2 Maschinen unterwegs sind: 749 121 war schon am Vortag als Triebwagenersatz mit einem Schnellzug nach Budweis gefahren und sollte am Vormittag von dort wieder ankommen. Die Ankunft einzufangen, hätte ich aber zeitlich nicht mehr geschafft - oder auf das Frühstück verzichten müssen. Stattdessen konzentrierte ich mich auf 749 264, die ebenfalls im Triebwagenplan unterwegs war und etwas später mit einem Schnellzug aus Tanvald eintreffen sollte. Dafür fuhr ich aber nicht zum Hbf, sondern stieg bereits eine Station vorher in Praha-Vršovice aus.
Beim Warten auf die S-Bahn hielt ich in Praha-Hostivař wieder das Geschehen fest.


Bild
Als erstes kam 471 078 auf dem Kurztakt der S9 nach Strančice. Über das Aussehen der Fahrzeuge (hier in der vierten, aktuellen Lackierung) kann man sich streiten, doch einen großen Vorteil haben sie gegenüber den Doppelstockfahrzeugen in Deutschland: Platz im Oberstock. Dazu kommt eine für ein Nahverkehrsfahrzeug sehr komfortable 1. Klasse.


Bild
Kurz darauf fuhr 122 037 mit einem KLV-Zug nach Praha-Uhříněves durch, der Fdl nahm sichtbar seine Funktion als Aufsicht wahr.


Bild
Aus der Gegenrichtung kam diese interessante Fuhre: Schnellzuglok 150 222 mit einem Triebwagen der Reihe 854 im Schlepp. Die im Hintergrund zu sehende 742 136 fuhr im Blockabstand hinterher.


Der Bahnhof Praha-Vršovice ist neben dem hübschen, sanierten Empfangsgebäude vor allem betrieblich interessant. Hier halten 2 Schnellzug- und mehrere Nahverkehrslinien, außerdem schließen sich an ihn das Prager Lokdepot und der Abstellbahnhof Prag Süd (Praha ONJ) an. Letzterer ist ein großer, halbrunder Betriebsbahnhof, der sich in 3 Abstell- bzw. Servicegruppen aufteilt. Viele Züge aus Richtung Norden, Nordosten, Osten und Südosten, die im Hbf enden und nicht dort wenden, müssen zu diesem Abstellbahnhof fahren, was für ein entsprechend hohes Verkehrsaufkommen sorgt.

Da bis zur Ankunft des Schnellzugs aus Tanvald noch etwas Zeit war (zumal er Verspätung hatte), hielt ich auch hier noch ein wenig den Verkehr teilweise bildlich fest.


Bild
362 158 mit dem Leerpark vom R 874 "Josef Václav Myslbek" aus Brünn.


Bild
162 013 mit dem Leerpark vom R 605 "Karlex" aus Cheb, den sie seit Ústí nad Labem bespannt hat.

Manch einer mag sich an dieser Stelle fragen: "362? 162? Wo ist der Unterschied, die sehen doch gleich aus!?" Deshalb eine kurze Erklärung:

Die ehemalige Tschechoslowakei wurde sozusagen in 2 Etappen elektrifiziert; zunächst nördlich einer gedachten Linie von NNW nach SSO mit 3 kV Gleichstrom, danach südlich davon mit 25 kV 50 Hz. Es entstanden mehrere elektrische Fahrzeuge, die oft nur in einem der beiden Netze fahren konnten und dem entsprechend eine sehr unterschiedliche Baureihenbezeichnung erhielten. Im heutigen System, das 1988 eingeführt wurde, sind das:
1XX für Gleichstromloks (inkl. der Lokalbahnloks für 1,5 kV), 2XX für das 25 kV-Netz und 3XX für Mehrsystemloks. Bei den Triebwagen setzt sich das gleiche Schema mit den Ziffern 4, 5 und 6 fort. Der Vollständigkeit halber noch die restlichen Ziffern: 7XX sind Dieselloks, 8XX Dieseltriebwagen, 9XX Steuer- und 0XX Mittelwagen (beide unabhängig von der Traktionsart).


Bild
854 002 mit dem Os 9526 nach Mělník - die Stadt, wo die Moldau in die Elbe mündet :wink:


Bild
380 005 mit dem Leerpark für den EC 223 "Detvan" nach Zvolen. Ganz rechts fuhr gerade der leere EN (CNL) 459 "Canopus" aus Zürich in die Abstellung.


Bild
Dann kam er endlich, der R 1143 aus Tanvald. Kurz vorher musste sich natürlich unbedingt eine große Wolke vor die Sonne schieben. Nicht mal 2 Minuten nach der Aufnahme kam sie wieder raus... :|


Anschließend fuhr ich rüber zum Hbf, um vielleicht auch noch die 121 ablichten zu können. Da ich sie in Vršovice nicht gesehen hatte, würde sie wohl noch einmal nach Budweis fahren. Die Fahrzeiten hatte ich allerdings nicht im Kopf und die Ankunft lag schon über eine Stunde zurück, deshalb machte ich mir eher geringe Hoffnungen. Doch tatsächlich: Der Zug stand noch am Bahnsteig. Fix in Richtung Empfangshalle gegangen und festgestellt, dass bis zur Abfahrt noch fast 20 Minuten Zeit sind. Genug Zeit, um eine Fahrkarte kaufen - wer weiß, ob sich die Chance nochmal bietet.
Was soll ich sagen... der Rest des Tages war ein (akustischer) Genuss. 3 Stunden Fahrzeit nach Budweis, 3 Stunden zurück, das ganze über die schönere der beiden Strecken. Zwischen Prag und Budweis gibt es 2 Schnellzuglinien; eine elektrische via Benešov - Tábor - Veselí nad Lužnicí und eine mit Diesel via Beroun - Příbram - Písek - Číčenice.


In Prag stand der Zug nicht sehr fotogen, in Budweis ging das besser:

Bild
749 121 mit dem R 1249 nach Prag


Normalerweise fahren auf dieser Linie speziell für den Betrieb mit VT ausgerüstete Großraumwagen, die auch von Dieselloks versorgt werden können, doch zu meiner Freude waren es 2 "normale" Wagen - ein Abteil- und ein Halbgepäckwagen. Ersterer präsentierte sich zwar neu lackiert, aber innen noch fast in dem Zustand, in dem er Mitte der '80er Jahre aus Bautzen geliefert wurde:

Bild

Lange wird es das so wohl nicht mehr geben. Einige Wagen hat man bereits einem Redesign-Programm mit neuen Polstern und helleren Farben unterzogen, doch weil das dem Staat bzw. den einzelnen Regionen als Besteller (in Tschechien wird auch der Fernverkehr bestellt) nicht ausreicht, ist man zu kompletten Fahrzeugmodernisierungen übergegangen. Aktuelles Ziel ist es, bis Ende 2016 alle unmodernisierten Wagen aus DDR-Produktion aus dem Verkehr zu nehmen. Der moderne Reisende möchte halt lieber schmale, weniger komfortable Einzelsitze, Klimaanlage, Laptop-Steckdosen und WLAN im Zug. :roll:


Das war es im Wesentlichen zu dieser Reise, am nächsten Tag ging's zurück nach Deutschland. Erwähnenswert ist allenfalls noch, dass ich auf dem Rückweg die Verbindung zwischen Meißen und Leipzig benutzt habe, die es bald nicht mehr geben wird - auf dem schönsten Abschnitt zwischen Döbeln und Meißen wurde der Verkehr zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 abbestellt. Diese Entwicklung kennt man ja: Erst macht man Verkehrsverbindungen auf der Straße attraktiver (hier sogar in Form von Buslinien, die die Autobahn benutzen) und stellt dann den Eisenbahnverkehr mangels Fahrgästen ein. :evil:
Mit dieser Strecke steht und fällt letztlich auch die Existenz eines nicht ganz unbekannten Eisenbahnmuseums in Nossen...
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit.
Benutzeravatar
Dieselpower
Direktor A15
Beiträge: 2780
Registriert: Di 24. Dez 2013, 00:34
Kontaktdaten:

Re: Ein paar Tage Prag im Juli - ein kleiner Fotobericht

Beitrag von Dieselpower »

Marcel Zehl hat geschrieben: Lange wird es das so wohl nicht mehr geben. Einige Wagen hat man bereits einem Redesign-Programm mit neuen Polstern und helleren Farben unterzogen, doch weil das dem Staat bzw. den einzelnen Regionen als Besteller (in Tschechien wird auch der Fernverkehr bestellt) nicht ausreicht, ist man zu kompletten Fahrzeugmodernisierungen übergegangen. Aktuelles Ziel ist es, bis Ende 2016 alle unmodernisierten Wagen aus DDR-Produktion aus dem Verkehr zu nehmen. Der moderne Reisende möchte halt lieber schmale, weniger komfortable Einzelsitze, Klimaanlage, Laptop-Steckdosen und WLAN im Zug. :roll:
Will er das wirklich, oder redet man es ihm seitens unfähiger Besteller/Betreiber nur ein, und verkauft ihm diesen Blenderschnickschnack wie bei uns? Erst gestern war ein Leserbrief (übrigens nicht von mir!) in der Rhein Zeitung, daß die Bahn sich anstatt um W-LAN im Zug lieber um wesentliche Probleme auf der Schiene kümmern sollte...

Marcel Zehl hat geschrieben:Das war es im Wesentlichen zu dieser Reise, am nächsten Tag ging's zurück nach Deutschland. Erwähnenswert ist allenfalls noch, dass ich auf dem Rückweg die Verbindung zwischen Meißen und Leipzig benutzt habe, die es bald nicht mehr geben wird - auf dem schönsten Abschnitt zwischen Döbeln und Meißen wurde der Verkehr zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 abbestellt. Diese Entwicklung kennt man ja: Erst macht man Verkehrsverbindungen auf der Straße attraktiver (hier sogar in Form von Buslinien, die die Autobahn benutzen) und stellt dann den Eisenbahnverkehr mangels Fahrgästen ein. :evil:
Mit dieser Strecke steht und fällt letztlich auch die Existenz eines nicht ganz unbekannten Eisenbahnmuseums in Nossen...
Auch das ist bei uns eine seit Jahren bewährte Praxis...

Trotzdem - oder gerade deshalb - noch einmal Danke für diesen Bericht!
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
"Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...!"
Konrad Adenauer
Antworten