Ich frage mich immer wieder, wie das die Menschen zwischen 1835 und 2009 bloß geschafft haben, in Züge hinein zu kommen. Zum Beispiel meine Großmutter in den 30er Jahren mit einem Kinderwagen und zwei schulpflichtigen Kindern zu Fuß. Damals hat der beamtete Bahnsteigschaffner
Besoldungsgruppe A 3 auch nur gelegentlich einen Finger an den Kinderwagen gelegt, wenn er einen guten Tag hatte.
Trotzdem sind Millionen Menschen an ihr Ziel gekommen. Mittlerweile hat jeder die Erwartung, daß er einen "Service" zu beanspruchen hat, der eigene Handlungskompetenz, Verantwortung und Mitdenken gefälligst zu ersetzen hat.
Na gut, das kann die Bahn sicher bieten. Nur dann muß man auch damit leben, daß die Rückfahrkarte Bad Kreuznach-Berlin 400 Euro kostet.
Denn soviel kostete sie pro Person 1939, gemessen am damaligen durchschnittlichen Volkseinkommen.
Also, zurück in die Zukunft? Nein, danke! Meine Frau und ich konnten auch ohne Hilfskräfte, Aufzüge und Einstiegshilfen unseren Kinderwagen verladen. Und wer die drei Treppen hoch in den Zug nicht mehr schafft, bleibt eben zuhause.
Soll die Allgemeinheit denn für jeden ruhelosen Aktionismus blechen? Wann kommt die Forderung, daß lebenslustige Rentner -natürlich im Preis der Bahnfahrkarte inbegriffen- mit dem Taxi 20km weit zum nächsten Bahnhof gefahren werden, damit sie aus Langeweile -selbstverständlich zu Schnäppchenpreisen- in Europa herumgurken können?
Ich habe mittlerweile die Nase voll von Menschen, die ständig nur fordern und raffen ohne zu überlegen, was sie denn diesem Planeten und ihren Nachkommen selbst noch hinterlassen können. Leere Kassen und eine ausgeplünderte Erde?
Und komme mir keiner, die Generation 60-75 hätte sich "krummgelegt". Wohl eher in ihren Berufen wundgesessen. Krummgelegt haben sich zuletzt noch die Jahrgänge 1900 bis 1920. Und die waren bis ins hohe Alter bescheiden, kreativ und bis zuletzt weitgehend selbständig.(O-Ton Oma Katharina, Jahrgang 1899 noch im Jahre 1988 als selbständige Bahnreisende: "Ich bin froh, wenn ich auf niemanden angewiesen bin"
Mögen sich da mal die heute 70-jährigen ein Beispiel nehmen.Und natürlich erst recht alle Jüngeren.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
ich will Dir da ja jetzt nicht zu nahe treten. Aber da gibt es dann doch einiges was seit 30 Jahren anders ist.
Während man früher mit einem Kinderwagen und viel Gepäck die Gleise nunmal an den meisten Bahnhöfen einfach queren konnte (Unterführungen gab es da ja an vielen bahnhöfen noch nicht), besteht diese diese Möglichkeit ja heute nur in Begleitung. Und das genügend Begleitung (Service) vorhanden ist, der mich dann mit Kinderwagen und Gepäck über die Gleise begleitet, kann man dann schon erwarten.
Und ich denke Leute, die so ökologisch denken, dass sie Bus und Bahn nutzen, sollten so gut wie möglich dabei unterstützt werden. Dazu gehören dann sogar die von dir spaßig gemeinte Taxifahrt für den Rentner, bin ich absolut dafür, vorrausgesetzt die Verkehrsträger schaffen es nicht, bis in gewisse Uhrzeiten Busverkehr anzubieten.
Nun Rouven, da muß ich Dich korrigieren. Das Überschreiten der Gleise ohne Aufsicht war noch nie gestattet. Ich habe bei meinen Schilderungen z.B. die Landbahnhöfe Gau-Algesheim, Ingelheim, Gensingen-Horrweiler, Alzey usw. vor Augen ... und die hatten seit den 30er Jahren eben doch Unterführungen und wurden von drei Generationen meiner Familie auch benutzt.Wir haben jedoch weder einen mürrischen Bahnbeamten noch einen 1-Euro-Jobber gebraucht, denn das sind im Augenblick die tollen Kreuznacher Hilfskräfte, denen dieser arrogante Staat diese "Mitwirkungspflicht am Reintegrationsprozeß
in das Arbeitsleben" abverlangt obwohl jeder weiß, daß kein 32-jähriger Arbeitsloser schneller in den Beruf zurückfindet, weil er 200 Kinderwagen in Züge hineingehoben hat. Diese bahnökologische Service-Traumwelt hat nämlich
ihre heimlichen Opfer hinter der Fassade des schönen Scheins.
Es ehrt Dich auch, wenn Du jedem für sein Privatvergnügen den umfassendsten Service über Steuermittel und Fahrpreise finanzieren möchtest. Ich hoffe dann aber, daß Du Dich als Erwerbstätiger mit einer Abgabenquote von 75% abfindest und bereit bist, für eine Rückfahrkarte Bad Kreuznach - Bingen langfristig 25 Euro zu zahlen. Denn mehr Service gibt es eben in einer Marktwirtschaft nur für einen höheren Preis. Und wer nun an dieser Stelle gerne eine Planwirtschaft hätte, dem sei verraten: Da gäbe es schon seit den 1960er Jahren keinen Bahnhof Bad Kreuznach mehr, sondern auf der ehemaligen Gleistrasse die langersehnte Umgehungsstraße durchs Salinental.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
Horst Heinrich hat geschrieben:Und wer nun an dieser Stelle gerne eine Planwirtschaft hätte, dem sei verraten:
Da gäbe es schon seit den 1960er Jahren keinen Bahnhof Bad Kreuznach mehr, sondern
auf der ehemaligen Gleistrasse die langersehnte Umgehungsstraße durchs Salinental.
Da muss ich aber deutlich widersprechen,
denn nach den Erfahrungen in der DDR würden dort jede Menge Güterzüge durch Nahe-
und Alsenztal rollen, da Güter auf die Bahn gehören und nicht auf überdimensionierte und
die Landschaft verzehrende "Umfahrungen".
Gigantomanie wie während einer "1000jährigen Periode", als man noch Trassen gen Westen baute
(B50 neu bei Simmern) - Wofür braucht man da noch eine Bahn zum Hahn
Horst Heinrich!
Planwirtschaft bedeutete Bahn fahren. Wie mein Vorredner schon schrieb, es würden unzählige Güterzüge durchs Nahe- und Alsenztal rollen. Was die Aufhebung der Planwirtschaft im Ostblock anrichtete, kann man heute gut erkennen: Ausbau der Straße, Abbau der Bahn.
Im übrigen: wer 3 Stufen nicht steigen kann, soll zu Hause bleiben. Tolle Aussage, so richtig die Menschenwürde verachtend. Ex und hopp! Als mobilitätseingeschränkter Nichtsiebziger freue ich mich natürlich immer über diesen geäußerten Zeitgeist. Jeder lebt und stirbt allein. Herzlichen Dank sagt Hans.Dampf
Don Martin hat geschrieben:
Dass 1930 keiner über den fehlenden Service gemeckert hat liegt sicher daran, dass es schlichtweg wenige oder keine Alternative gab. Heute steht die Bahn in Konkurrenz zu Auto und Flugzeug, und da überlegt man sich schon eher ob man bei einer bestehenden bequemen Alternative freiwillig die unbequemere wählt.
Bis in die 1990iger wurde in Bad Kreuznach (ob Jung, ob Alt) jedem Hilfebedürftigen geholfen. Die Jungs vom Express und Gepäckservice hatte diese Aufgabe von ihren Vätern übernommen.
Also auch schon in den 1930iger Jahren.
Sowas gehörte zur Selbstverständigkeit eines Bahnhofes wie Bad Kreuznach.
Auf den kleinen Stationen übernahmen diese Aufgaben die Beamten vor Ort.
Was davon heute geblieben ist, sehen wir jeden Tag.
Horst Heinrich!