Einen außergewöhnlichen Draisinenverkehr - als zusätzliches Angebot zum "regulären"
Schienenverkehr - in Kambodscha zeigt ARTE im Rahmen der 360° GEO Reportagen.
Bei einem nahenden Zug werden die aus Bambus und einem kleinen Motor besteh-
enden Draisinen "ruck-zuck" zerlegt und anschließend wieder zusammengesetzt
Vorfahrt haben auf der eingleisigen Strecke: Die mit den meisten Fahrgästen,
die mit der größeren Last oder diejenige, der eine weitere folgt ...
Text zur Sendung:
Ohne sie gäbe es keinen Handel und keine Familienfeste, keine Einkäufe auf dem Markt und keine Arztbesuche: "Norry", die Bambusbahn, ist für eine ganze Region im Norden Kambodschas die Lebensader. Denn im verminten Land gibt es nur wenige Straßen. Die improvisierte Bahn, die aus Draisinen mit Bambusfläche besteht, ist weder verboten noch genehmigt. Aber sie wird dringend benötigt.
Jede Draisine ist eine Miniaturbühne des Alltags: Auf der dreieinhalbmal zwei Meter großen Bambusfläche drängen sich Bauern, Schulkinder, Mönche und stillende Mütter im Schneidersitz, gackernde Hühner, Trockenfisch, Kühe, Mangos, Säcke mit Reis. Mit bis zu 50 Stundenkilometern rattert im Norden Kambodschas "Norry", wie die aus Bambusflächen bestehende Draisinenbahn heißt, über geflickte Gleise und knarrende Holzbrücken, vorbei an Pfahlbauten, Tempeln, Tamarindenbäumen und Reisfeldern. "Diese Trasse ist wie unser Land", meint Draisinenführer Ly Tith, "geschunden, fast vergessen, aber unzerstörbar."
Die Bambusbahn steht für den Überlebenswillen und die Improvisationskunst der Kambodschaner. Anstatt auf Hilfe vom Staat zu warten, haben ein paar Dutzend Bauern vor 25 Jahren auf der verrosteten Kolonialtrasse ihren eigenen Zug gebaut - mit Bambus, Motoren aus gebrauchten Generatoren und Metallrädern aus Schrott-Panzern - einen Zug, der für wenig Geld jederzeit fährt und überall hält. Mittlerweile hat diese improvisierte Bahn ein System. Zwei Dutzend Draisinenführer haben Schichtpläne entworfen, Strecken aufgeteilt und Preise sowie Vorfahrtsregeln festgesetzt. Wie lange "Norry" noch durch die Reisfelder fahren wird, weiß niemand. Die staatliche Zuggesellschaft will die Bambusbahn gegen eine Entschädigung für die Draisinenführer, bald aus dem Verkehr ziehen. Aber Ly Tith und seine Passagiere glauben noch nicht, dass ihre kleine Bambusbahn eines Tages tatsächlich verschwinden wird.
Wiederholung:
15.02.2009 um 18:05
360° - Geo Reportage
(Frankreich, Deutschland, 2008, 43mn)
ARTE, Regie: Carmen Butta
Hier gibt's Video-Ausschnitte:
http://www.arte.tv/de/Die-Welt-verstehe ... 84898.html