Deportation! - Die Eisenbahn in Deutschlands "dunkelstem Kapitel"

Fotos von außerhalb unserer Region. Hier ist auch Platz für Sammelbeiträge, die mehrere Strecken umfassen (z. B. Rückblicke).
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Jonas Fuhrmann
Schaffner A2
Beiträge: 26
Registriert: Di 5. Jan 2021, 11:30

Deportation! - Die Eisenbahn in Deutschlands "dunkelstem Kapitel"

Beitrag von Jonas Fuhrmann »

Da es hier im Eisenbahnforum Region Mittelrhein anders als bei Drehscheibe online (DSO) keinen einzigen Beitrag zu dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte gibt, zu was die Eisenbahn jemals missbraucht wurde, und sich der "Tag der Befreiung" des Konzentrationslagers Auschwitz vor einem Monat auf den Tag genau zum 80. Mal jährte, melde ich mich mit folgendem Beitrag zu Wort:

Die massenweise Deportation der Juden, Behinderten, Andersdenkenden sowie Regimegegner in die Vernichtungs- und Todeslager 💀, ist für die Eisenbahn 🚂 unseres Landes so belastend wie jeder Buchstabe, den man nur braucht um das Wort Deutsch(land) zu bilden!!! Oder anders ausgedrückt, schwärzer als jede Lokomotive, jedes Stück Kohle und Ruß sowie Eisenbahneruniform aus dieser Zeit zusammen!!!

Altbundespräsident Joachim Gauck nannte Auschwitz einmal den "furchtbarsten Namen, den die Geschichte Deutschlands kennt". 😨 Und, nicht zu vergessen, die Geschichte der Welt natürlich! Und in einer Rede folgte der (etwaige) Wortlaut, dass "Auschwitz das schrecklichste Beispiel dafür ist, was Menschen Menschen antun können". 😱

Was vielleicht nur die wenigsten wissen, dass es unter dem Lokführerpersonal welche gegeben haben soll, die ganz genau GEWUSST haben, was den Menschen in den Viehgüterwagen drohte und an der ein oder anderen Stelle auf der Strecke langsamer gefahren sind um diesen Gelegenheit zu geben, abzuspringen, was für manche DIE Rettung bedeutet hat! Auch hier rüber ist entsprechende Literatur verfasst worden:

Rudolf Vrba

"Lokführer der Todeszüge"

Entsprechend dazu fällt mir der Schauspieler Michael Degen ein, dessen Autobiographie "Nicht alle waren Mörder" 📔 ich gelesen habe. Das Buch wurde ebenso unter dem gleichnamigen Titel verfilmt. 🎬📺 Darin schreibt er von einem Jugendfreund, der bei dem Fund eines Granatsplitters stirbt. Dessen Vater allerdings ist einer DIESER Lokführer, der in einer Szene weinend davon spricht, dass "das die Strafe ist", weil er seine Leute "nach Polen gefahren hat". 😭

So "rollten Räder" gemäß dem gleichnamigen Spruch nicht bloß "für den Sieg", sondern weit davor schon "für den Tod". 🎚


Ein vielleicht ganz kranker und unglaublicher Gedanke ...

Jeder von Ihnen hat im Zusammenhang mit dem Krieg höchstwahrscheinlich auch schon einmal die Begriffe Vertreibung und Ostgebiete gehört, eben jene tragischen Ereignisse, die Deutsche durch die "deutsche Schuld" erleiden mussten und deren traumatische Erlebnisse durch die transgenerationale Weitergabe an die Nachfahren weitergegeben wurden, wie andere Erlebnisse des Krieges ebenso. Die Menschen, welche durch die Verbrechen von "Deutschlands dunkelstem Kapitel" von jetzt auf gleich nicht nur Haus und Hof, sondern ebenso ihre Heimat verloren hatten, galten als "Treibgut des Krieges".


Einer der beiden Großväter meinerseits war nicht nur Vertriebener, sondern eben auch noch bei der Bundesbahn als Rangiermeister im Güterverkehr angestellt. Seine Zuständigkeit war der Ablaufbetrieb, durch welchen die Züge liefen, einzeln oder zu mehreren sich in die Gleise verteilten um dann zu neuen Zügen gebildet zu werden. Und dieser Stelle kommt der vielleicht nicht mehr zu begreifende Gedanke:

Man stelle ich nur einmal vor, wenn man einen kompletten Zug zerlegt und unter diesem sich einer mit Menschen befindet! Das Gleis, in welcher dieser dann abläuft, ist doch dann ein buchstäbliches VERNICHTUNGSgleis!

Eine für mich persönlich seltsame Art von Zufällen.

Sagen Sie doch mal Ihre Meinung zu solch einem vielleicht nicht zu erklärenden Gedanken...
eifelhero
Amtmann A11
Beiträge: 756
Registriert: Di 16. Dez 2008, 20:31

Re: Deportation! - Die Eisenbahn in Deutschlands "dunkelstem Kapitel"

Beitrag von eifelhero »

Hallo Jonas,
Die Vertreibung aus den Ostgebieten mit der Shoa zu vergleichen hinkt ganz gewaltig!
Haus und Hof zu verlieren ist das eine,
Freunde, Familie,Verwandtschaft und das eigene Leben zu verlieren ist etwas ganz anderes!
Nicht zu vergessen, das Leid und die Schmerzen durch Gewalt und Transport.
Ich empfehle einen Besuch im Holocaust-Museum in Jerusalem.
6 Millionen Tote als Zahl in der Vernichtungsmaschinerie der Deutschen ist das eine, aber wenn du im Museum dazu Gesichter und Schicksale siehst, bist du nur noch fassungslos.
Wie ein Überlebender so treffend sagte:
"Der Holocaust waren nicht nur Hitler und Himmler, das waren auch unsere Nachbarn, der Schuster, der Bäcker und der einfache Soldat. Alle waren beteiligt."
Die Reichsbahn war nur ein Zahnrad in dem ganzen.
gruß aus der Eifel
Heinz

Am besten halten wir die Welt einfach mal kurz an und lassen die ganzen Idioten aussteigen.
Jonas Fuhrmann
Schaffner A2
Beiträge: 26
Registriert: Di 5. Jan 2021, 11:30

Re: Deportation! - Die Eisenbahn in Deutschlands "dunkelstem Kapitel"

Beitrag von Jonas Fuhrmann »

Hallo 🙋 Heinz,

Ihre Antwort auf meinen Beitrag ist bezug nehmend auf den Inhalt gut, treffend und vor allem differenziert.

"Die Reichsbahn war" vielleicht "nur ein Zahnrad im Ganzen", jedoch eines von einer Art der Bedeutung her, ohne die die Todesfabrik Auschwitz niemals hätte "betrieben" werden können!!! Sie war ein buchstäbliches "Zahnrad", und eben solches Beförderungsrat, welches seinen Beitrag dazu geleistet hat. Und dass "auch unsere Nachbarn, der Schuster, der Bäcker und der einfache Soldat", einfach "alle beteiligt waren", das ist nicht ganz unwahr. Und sei es letzten Endes auch nur, dass man deren geraubtes Hab und Gut übernommen und sich keinerlei Gedanken um das Schicksal der ursprünglichen Besitzer gemacht hat.

So, wie die Züge derer, bei deren Schicksal man "nur noch fassungslos" ist, in den sicheren Tod rollten, so rollten die Züge derer, die alles verloren hatten, in ein ungewisses Leben!

Gruß zurück
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