Leider ohne Bilder, aber ich wollte Euch doch daran teilhaben lassen, daß ich am vergangenen Freitag nach langer Zeit mal wieder - mit kleinen Abstrichen - das Gefühl hatte, richtig große Eisenbahn zu fahren. Ein wenig Prosatext zu einem - zumindest hierzulande - fast schon verloren geglaubten Gefühl, weil Bahnfahren bekanntlich heute leider in der Regel von Unzulänglichkeiten, Verspätung und Komfortmängeln geprägt ist.
Ich hatte die vergangene Woche beruflich in Kassel zugebracht, und für die Rückfahrt (Hinfahrt hatte fahrplantechnisch nicht geklappt) den Weg über Gießen nach Frankfurt gewählt. Es war gar nicht einfach, dem Buchungssystem beizubringen, daß man gern einen 40 Minuten längeren Weg ohne ICE wählt. Das scheint total zu vergessen, daß es außer ICE und NV noch andere Sachen gibt, und so fand ich mich im IC 2373, einem der wenigen mit einem Namen ("Darß"), wieder. Er war sogar ziemlich pünktlich (+1) und auch richtig herum gereiht, allerdings fehlten 3 Abteile - und damit 25% - der 1. Klasse, was sich in der Besetzung bemerkbar machte. Der allein verbleibende Avmz mit meinem reservierten (aber leider mal wieder nicht angezeigten, und deshalb zunächst noch durch einen Koffer blockierten) Sitzplatz war leider bereits mit Ledergestühl verunstaltet, aber immerhin ohne nervige Tische. Meine Hoffnung, dem ausweichen zu können, hatte in dem - leider nicht vorhandenen, durch einen Interregio-Bimz ersetzten - "ABvmz" gelegen, einem "teildeklassierten" Avmz-Abteilwagen, bei dem 6 der 9 Abteile der zweiten Klasse zugeordnet sind - mit minimalen Abstrichen in der Ausstattung (Vorhänge - waren bei mir allerdings auch wegmodernisiert, Kopfkissen...). So ziemlich das geilste (Außer dem komplett "deklassierten" Bwmz), was dem 2. Klasse-Fernverkehrsfahrgast zuteil werden kann. Also nix mit Plüschsesseln - Mist! Die beiden Mitreisenden waren nicht unangenehm, so daß ich mich voll und ganz der Strecke widmen konnte - mußte allerdings feststellen, daß beide wohl weniger für die Aussicht als für Handy und Laptop übrig hatten. Heimatkunde live scheint total "out" zu sein. Es dauerte auch eine Weile, bis ich in dem modernen Ledersitz (immerhin mit halbwegs gescheiter Armlehne) eine halbwegs bequeme Panorama-Sitzhaltung gefunden hatte, doch dann stellte sich ein gewisses Wohlfühlen ein. Allerdings war der Übergang in Frankfurt mit 8 Minuten ziemlich kühn gewählt, so daß sich die Blicke auf die Uhr und den Fahrplan immer etwas verkrampft gestalteten, und jede Langsamfahrstelle und jedes Haltsignal die Gelassenheit etwas dämpfte. Allerdings trafen wir (vorweggenommen) auf die Minute pünktlich in Frankfurt ein.
Statt gegen Schallschutzwände (Nur ganz vereinzelt zu sehen) ging der Blick über Wiesen und Felder, Täler und Hügel, und über Baumwipfel und rotgedeckte Fachwerk-Dörfer mit und ohne Kirchlein. Im gemütlichen D-Zug-Tempo schlängelten wir uns über Wabern und Treysa, Cölbe und Marburg gen Gießen, wobei ich in Stadtallendorf sogar noch Formsignale erblicken durfte. Wir überquerten die (an einem Gebäude angeschriebene) Wasserscheide zwischen Rhein und Weser, links und rechts waren größere und kleinere Höfe zu sehen und es gab Bahnsteige aus dem klassischen Material Schüttgut, das per senkrecht eingerammter Altschienen und dazwischen geklemmter Schwellen in Form gehalten wurde. Daß es das im Jahre 2018 an Hauptbahnen noch gibt. Gepflegte Empfangsgebäude hier und da rundeten diesen Gesamteindruck zusätzlich ab. Ab Gießen wird es dann deutlich moderner, und dennoch war diese Fahrt so erfrischend entschleunigend und so viel eindrucksvoller als die heute übliche Rohrpostverschickung.
Ich weiß jedenfalls jetzt schon, welchen Weg ich nehmen werde, wenn es mich nochmal nach Kassel verschlagen sollte.
Es gibt sie noch, die schönen Hauptstrecken....(oB)
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Albert Einstein
"Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...!"
Konrad Adenauer
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