Thema: Bevorstehende Stillegung
Unterthema: unterschiedliche Szenarien anläßlich der sog. "letzten Fahrt"
-> Welche Stories habt ihr bei "letzten Fahrten" erlebt ?
Vermutlich haben alle hier im Forum an einer "letzten Fahrt" teilgenommen oder sogar selbst organisiert.
Erl.: Solche letzten Fahrten werden kurz vor einem rechtskräftigen Bescheid zum Abschluß eines Verfahrens nach § 11 (AEG) von diversen Eisenbahner-Vereinen organisiert, oder eben die letzte planmässige Fahrt genutzt, um.....
Richtig ist auch: Es gilt, Stillegung eines Schienenweges bezieht sich auf die Infrastruktur von A nach B und die letzte planmässige Fahrt eines (Personen)-Verkehrsunternehmens kann dann nicht unbedingt eine Stillegung zur Folge haben, wenn aus verschiedenen Gründen noch Güterverkehre oder militärische Andienung etwa einer Kaserne, oder touruistische Nutzungen als Leistungen abzuwickeln sind.
Die Prozedur einer "Letzten Fahrt" unterscheidet sich von Fall zu Fall. Und darum geht es in der Frage.
(hessische) Fallbeispiele: sie sind manchmal wie "Schlachtfeste" organisiert.
a) damals 1985 in Grävenwiesbach hat sogar, wenn ich micht recht entsinne, eine Blaskapelle aufgespielt.
b) anlässlich der Stilllegung der hessischen Weiltalstrecke gab es 1969 einen Sonderzug Weilburg-Grävenwiesbach, in dem ein Sonderpostamt eingerichtet war. Es wurden nur an diesem Tag und in diesem Zug besondere Postkarten ausgegeben, auf denen der Streckenverlauf stilisiert dargestellt war; die Karten wurden mit einem besonderen Stempel abgestempelt. Heute bei Sammlern sehr gefragt.
c) in Schotten (ex Nidda - Schotten) marschierte aus demselben Anlass 1959 ein veritabler Leichenzug (Herren in Frack und Zylinder) zum Bahnhof; in der Presse wurde eine Todesanzeige geschaltet!
d) wehmütige, zum Anlass extra verfasste Gedichte sind aus der Literatur z.B. von der Biebertalbahn (bei Gießen) und von der Strecke Waldkappel-Malsfeld bekannt. ("Sauerampfer"-Gedichte; diese Pflanze wächst oft an Bahndämmen)
e) die letzten Fahrten auf der Aar-Sälzböde-Bahn (ex KBS 624 Niederwalgern - Hartenrod - Herborn) = 2 Stillegungen bzw abschnittweise a) östlich imJuni 1995 und b) westlich in 2001) Letztere mutierte zu einem regelrechten Volksfest mit vollbesetztem langem Dampfzug (aus Siegen); Erstere im östlichen Teil war eine leere Dienstfahrt als Überführungsfahrt zweier VT 628 von Gladenbach nach Niederwalgern....und weiter nach Gießen. (die Fahrzeuge blieben sonst an der Dienststelle Gladenbach mit Betriebsruhe über Sonntag abgestellt). An diesem letzten Fahrtag, einem Samstag, trugen die Nahverkehrszüge dann außen aufgeklebte Namen: "Fischbachs Fluch" (so hieß der 1. Kreisbeigeordnete); "Kliems Zorn" (so hieß der damalige Landrat); und "Böser Bartnik" (so hieß der Bürgermeister der Stadt Gladenbach). Alle 3 verabredeten im Kreistag die Abbestellung der Verkehrsleistungen im östlichen Teil. Die Regionalisierungsmittel für Niederwalgern - Hartenrod wurden dann auf Marburg - Laasphe "umgebucht".
f) die letzte planmässige Personenzugfahrt auf der Kanonenbahn zwischen Lollar und Wetzlar fand Ende Mai 1980 mit einer dreiteiligen VT 798 Garnitur statt. Der Zug war sehr gut, aber nicht probbevoll besetzt. Soweit es möglich war, haben etliche Fahrgäste das Spektakel fotographiert. Sonst war da nix.
Resultat typisches Szenarios unter Regentschaft der alten Bundesbahn:
* Verkehrsleistungen im Ermessen des Verkehrsbetriebes
* Unattraktiver Fahrplan;
* veraltete Fahrzeuge;
* keine guten Anschlüße ( bei f) die Kreisstadt Gießen wurde nicht angefahren)
* teilweise schlechter Fahrweg, dadurch langsame Fahrt,......
Mehrere Jahre später dann nochmal eine sog. "Letzte (Sonder-)Fahrt", auch mit VT 798 ab Wetzlar bis Kinzenbach.
Zusatz: öfter waren an Fahrzeugen dieser letzten regelmässigen Personenzugfahrten die Beschriftungen wie "Letzte Fahrt" oder ein Kranz aus Tannenzweigen angeheftet
g) die letzte Fahrt auf der alten Vogelsbergbahn von Lauterbach nach Grebenhain-Crainfeld fand dann mit 2 x VT 628 in Mintgrün/weiss als Sonderfahrt statt. An dieser Fahrt nahmen viele Ortsansässige teil. Aber keine Blaskapelle u.s.w.
h) Haiger-Breitscheid: da war ein steilstreckentauglicher VT 798 der OEF in Beauftragung der Eisenbahnfreunde aus Herborn unterwegs. Auch "probbevoll"; es gab gegrillte Würstchen im Zug.....
i) Dillenburg - Ewersbach: da war ein Versuch einer letzten Fahrt mit VT 798, die aber wegen eines umliegenden dicken Baumes hinter Frohnhausen (Dillkreis) nicht bis Ewersbach durchgeführt werden konnte.
J) Hungen - Wölfersheim; April 2003; Fahrzeug HLB GTW 2/6:: Wenige schwarz gekleidete Personen, Protestversammlung am Bf. in Hungen ein großes Schild am Bf. Hungen: "zurück ins 19.te Jahrhundert ?" und "Junge komm bald wieder"
k) Jossa - Wildflecken; mit OEF VT 798 (teilweise 5 und 6 teilige Garnituren) zum Parkfest nach Bad Brückenau; Eine dieser Fahrten wurde dann dort als Fotofahrt erweitert und als Fotomotiv mit historischem Feuerwehrfahrzeug Magirus Rundhauber umfunktioniert. Es gab auch Stichfahrten nach Oberwildflecken bis fast zur Kaserne.
Was fällt euch kurisoses ein ?
(ja, in Kürze steht im Lumdatal eine solche Veranstaltung bevor; der dort agierende Verein beabsichtigt einen Vortrag im Zug inkl. Kinderbespaßung mit Kinderpunsch und Kasperletheater auf die Beine zu stellen)
Begebenheiten anläßlich "letzter Fahrten"...mit ?
- Basaltlunkerschotter
- Amtsrat A12
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- Registriert: Mo 30. Jul 2007, 15:08
Begebenheiten anläßlich "letzter Fahrten"...mit ?
ich wollt, es wäre Abend und die Preußen kämen
- Klaus aus FG
- Amtmann A11
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Re: Begebenheiten anläßlich "letzter Fahrten"...mit ?
Lieber Michael,
vielen Dank für diese Fleißarbeit. Aber in Punkt "h) Haiger-Breitscheid" muss ich Dich korrigieren. Ja, es gab die OEF-Fahrten für die Herborner Eisenbahnfreunde mit Grill im Zug und zwar am 21.9.1997 (Am Tag davor war noch "Rhein in Flammen" mit planmäßiger Ankunft in Gießen um 1:16 Uhr. Start am nächsten Morgen dann um 8:30 Uhr. Bei Beachtung des Nach- und Vordienstaufwandes lässt sich errechnen, wie viel Zeit da noch zum Schlafen blieb!). Die durch diese Fahrt vorhandene EBA-Genehmigung für Reisezugfahrten auf der "Balkanstrecke" wurde dann 29.11.1997 nochmals genutzt, da waren die OEF dann im Auftrag der DGEG unterwegs.
vielen Dank für diese Fleißarbeit. Aber in Punkt "h) Haiger-Breitscheid" muss ich Dich korrigieren. Ja, es gab die OEF-Fahrten für die Herborner Eisenbahnfreunde mit Grill im Zug und zwar am 21.9.1997 (Am Tag davor war noch "Rhein in Flammen" mit planmäßiger Ankunft in Gießen um 1:16 Uhr. Start am nächsten Morgen dann um 8:30 Uhr. Bei Beachtung des Nach- und Vordienstaufwandes lässt sich errechnen, wie viel Zeit da noch zum Schlafen blieb!). Die durch diese Fahrt vorhandene EBA-Genehmigung für Reisezugfahrten auf der "Balkanstrecke" wurde dann 29.11.1997 nochmals genutzt, da waren die OEF dann im Auftrag der DGEG unterwegs.
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Re: Begebenheiten anläßlich "letzter Fahrten"...mit ?
Letzte Fahrt auf der Strecke Siegburg - Lohmar:
Auf "kleinem Dienstweg" wurde im Sommer 1996 oder 1997 (obwohl ich dabei war, weis ich das genaue Datum nicht mehr genau) eine Kleinlok, die seit längerem in Lohmar abgestellt war, auf der Schiene von Lohmar über Siegburg und Troisdorf nach Bonn-Beuel überführt.
Das besondere:
Die Strecke war bereits total zugewachsen und wir mussten uns mit schwerem Gerät durch den Busch kämpfen. Mehrfach hob es die kleine Lok dabei fast aus den Schienen. Im Stadtgebiet Siegburg waren dann sämtliche Bahnübergänge zugeparkt. Ein Abschlepper wurde herbeigerufen, der uns dann quasi parallel begleitete und die Autos von den Schienen räumte. Die Fahrzeuge wurden kurzerhand an den Kran genommen und "zur Seite" gesetzt. Lediglich der letzte Falschparker blieb dann auf der Pritsche und wurde mitgenommen.
Die ganze Sache war ein reines Zweckunternehmen, für das auch keinerlei Öffentlichkeit gemacht wurde. Dass es die absolut letzte Fahrt werden sollte, war damals zwar schon ziemlich wahrscheinlich, aber noch nicht wirklich sicher.
So verabschiedete sich still und leise, und von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt das letzte verbliebene Teilstück* der einstigen Strecke Siegburg - Lohmar - Wahlscheid - Overath. Ein trauriges Ende.
Heute sind die Gleise in den Stadtbereichen von Siegburg und Lohmar abgebaut und wurden zu Fahrradwegen oder verschwanden im Zuge von Strassenerweiterungen und Umstrukturierungen. Teile wurden auch an privat verkauft, damit der glückliche Anlieger (der in einigen Fällen zuvor kräftig gegen den Erhalt der Bahn Stimmung gemacht hatte) seine Sammlung an Gartenzwergen erweitern konnte. Nur im Wald zwischen Siegburg und Lohmar liegen die Gleise noch - wenn man sie denn findet...
*ein kleines Reststück wurde noch bis zum Jahresende 2015 betrieben: die 900 Meter von Siegburg Bahnhof bis zum Anschluss Siegwerk. Der Abschnitt überlebte sogar die Umbauten im Zuge der Schnellfahrstrecke Köln - Frankfurt und bekam ein eigenes KS-Signal spendiert, das derzeit immer noch vor sich hin leuchtet, aber seit Januar 2016 keinen Zug mehr gesehen hat. Zum 01.01.2016 ruht der Verkehr. Grund ist das Übliche: Streitigkeiten um die Finanzierung der abgängigen Anschlussweiche. Des weiteren angeblich auch werksinterne Probleme mit der Abstellung der Gefahrgut-Kesselwagen. Nun geht dafür täglich ein ganzer Lkw-Konvoi mit hochentzündlichem Ethanol, Ethylacetat und Toluen quer durch die Siegburger Innenstadt. Skandale, an die wir uns längst gewöhnt haben und die auch niemanden mehr groß interessieren...
Ein paar Bilder von 2013.
Historische Signalstellung am Zwischensignal im Bf. Siegburg: Von Gleis 13 geht es geschoben mit signaltechnisch erlaubten 60 (mit Funkfernsteuerung allerdings eh nur mit 25) nach Gleis 1, und von dort durch die 40er Weiche Richtung Lohmar:
Über die Brücke des "Mühlengrabens":
An der Anschlussweiche Siegwerk:
Am Werkstor:
Rückfahrt. Durch die Siegburger Gartenlandschaft:
Siegburger Bahnansichten, die möglicherweise Geschichte sind:
Auch die Benediktinerabtei "Sankt Michael" wurde, nach über 900 Jahren Bestand (Gründung 1064), im Jahre 2011 aufgegeben:
Gute Nerven brauchte man zuweilen beim Sichern des BÜ's "Frankfurter Strasse" (B8):
Auf "kleinem Dienstweg" wurde im Sommer 1996 oder 1997 (obwohl ich dabei war, weis ich das genaue Datum nicht mehr genau) eine Kleinlok, die seit längerem in Lohmar abgestellt war, auf der Schiene von Lohmar über Siegburg und Troisdorf nach Bonn-Beuel überführt.
Das besondere:
Die Strecke war bereits total zugewachsen und wir mussten uns mit schwerem Gerät durch den Busch kämpfen. Mehrfach hob es die kleine Lok dabei fast aus den Schienen. Im Stadtgebiet Siegburg waren dann sämtliche Bahnübergänge zugeparkt. Ein Abschlepper wurde herbeigerufen, der uns dann quasi parallel begleitete und die Autos von den Schienen räumte. Die Fahrzeuge wurden kurzerhand an den Kran genommen und "zur Seite" gesetzt. Lediglich der letzte Falschparker blieb dann auf der Pritsche und wurde mitgenommen.
Die ganze Sache war ein reines Zweckunternehmen, für das auch keinerlei Öffentlichkeit gemacht wurde. Dass es die absolut letzte Fahrt werden sollte, war damals zwar schon ziemlich wahrscheinlich, aber noch nicht wirklich sicher.
So verabschiedete sich still und leise, und von der Öffentlichkeit völlig unbemerkt das letzte verbliebene Teilstück* der einstigen Strecke Siegburg - Lohmar - Wahlscheid - Overath. Ein trauriges Ende.
Heute sind die Gleise in den Stadtbereichen von Siegburg und Lohmar abgebaut und wurden zu Fahrradwegen oder verschwanden im Zuge von Strassenerweiterungen und Umstrukturierungen. Teile wurden auch an privat verkauft, damit der glückliche Anlieger (der in einigen Fällen zuvor kräftig gegen den Erhalt der Bahn Stimmung gemacht hatte) seine Sammlung an Gartenzwergen erweitern konnte. Nur im Wald zwischen Siegburg und Lohmar liegen die Gleise noch - wenn man sie denn findet...
*ein kleines Reststück wurde noch bis zum Jahresende 2015 betrieben: die 900 Meter von Siegburg Bahnhof bis zum Anschluss Siegwerk. Der Abschnitt überlebte sogar die Umbauten im Zuge der Schnellfahrstrecke Köln - Frankfurt und bekam ein eigenes KS-Signal spendiert, das derzeit immer noch vor sich hin leuchtet, aber seit Januar 2016 keinen Zug mehr gesehen hat. Zum 01.01.2016 ruht der Verkehr. Grund ist das Übliche: Streitigkeiten um die Finanzierung der abgängigen Anschlussweiche. Des weiteren angeblich auch werksinterne Probleme mit der Abstellung der Gefahrgut-Kesselwagen. Nun geht dafür täglich ein ganzer Lkw-Konvoi mit hochentzündlichem Ethanol, Ethylacetat und Toluen quer durch die Siegburger Innenstadt. Skandale, an die wir uns längst gewöhnt haben und die auch niemanden mehr groß interessieren...
Ein paar Bilder von 2013.
Historische Signalstellung am Zwischensignal im Bf. Siegburg: Von Gleis 13 geht es geschoben mit signaltechnisch erlaubten 60 (mit Funkfernsteuerung allerdings eh nur mit 25) nach Gleis 1, und von dort durch die 40er Weiche Richtung Lohmar:
Über die Brücke des "Mühlengrabens":
An der Anschlussweiche Siegwerk:
Am Werkstor:
Rückfahrt. Durch die Siegburger Gartenlandschaft:
Siegburger Bahnansichten, die möglicherweise Geschichte sind:
Auch die Benediktinerabtei "Sankt Michael" wurde, nach über 900 Jahren Bestand (Gründung 1064), im Jahre 2011 aufgegeben:
Gute Nerven brauchte man zuweilen beim Sichern des BÜ's "Frankfurter Strasse" (B8):
Zuletzt geändert von TroubadixRhenus am Sa 19. Nov 2016, 13:51, insgesamt 2-mal geändert.
Re: Begebenheiten anläßlich "letzter Fahrten"...mit ?
zu a) In Grävenwiesbach gab es bei der letzten Fahrt auf der Solmstalbahn ein Bahnhofsfest.
zu g) Es war damals nur eine 628-Garnitur aus dem Stillstand "Alsfeld" im Einsatz. Am Bahnhof Ilbeshausen-Hochwaldhausen sang der örtliche Landfrauen-
Verein und sie fuhren anschließend im Zug mit.
zu i) Im Rahmen von Nikolausfahrten wurde im Dezember 2000 kurz vor Stilllegung nochmals von Hartenrod über Herborn und Dillenburg bis Wissenbach
gefahren. Ewersbach konnte man wegen Gleisschäden damals nicht mehr erreichen.
Es wäre wünschenswert, wenn man hier im Forum über die anstehenden Abschiedsfahrten auf der Lumdatalbahn frühzeitig informiert würde.
Vielen Dank und beste Grüße
jojo54
zu g) Es war damals nur eine 628-Garnitur aus dem Stillstand "Alsfeld" im Einsatz. Am Bahnhof Ilbeshausen-Hochwaldhausen sang der örtliche Landfrauen-
Verein und sie fuhren anschließend im Zug mit.
zu i) Im Rahmen von Nikolausfahrten wurde im Dezember 2000 kurz vor Stilllegung nochmals von Hartenrod über Herborn und Dillenburg bis Wissenbach
gefahren. Ewersbach konnte man wegen Gleisschäden damals nicht mehr erreichen.
Es wäre wünschenswert, wenn man hier im Forum über die anstehenden Abschiedsfahrten auf der Lumdatalbahn frühzeitig informiert würde.
Vielen Dank und beste Grüße
jojo54