Man stelle sich nur mal vor, heute würde jemand ankommen und fordern, das berühmteste Touristenziel des Welterbes Mittelrheintal zu durchbohren, um eine Bahnstrecke zu bauen... Wo war damals die Bürgerinitative?
Ein paar Fotos von letzer Woche rund um eine kleine Loreleywanderung.
VIAS hat soeben den berühmten Felsen unterquert:
Der Blick in die andere Richtung:
Henkelzug auf der "Eingleisigen" mit Blick auf St. Goarshausen:
Viele Grüße,
Christian
Der berühmteste Felsen (3 B.)
Re: Der berühmteste Felsen (3 B.)
gefällt mir auch am besten.
Herzliche Grüße
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Re: Der berühmteste Felsen (3 B.)
Die gab es damals -auch und gerade am Mittelrhein- zuhauf. Dabei gingen die Proteste nicht nur vom Bürger aus, auch der Staat war vielerorts skeptisch, weswegen die meisten Eisenbahninitiativen zunächst von Privatleuten ausgingen, die entsprechende Gesellschaften und "Consortien" gründeten. Schließlich hatte man gerade die "Rheinromantik", den Tourismus und den "Fremdenverkehr"entdeckt und fürchtete die neue Technik als erhebliche Störung.Lochris hat geschrieben:Wo war damals die Bürgerinitative?
Es wurde heftig gestritten, medial, vor Gericht und -was damals noch große Wirkung zeigte- von der Kanzel, denn die Kirche lehnte das Feuerroß mit seinem Höllenschlund rundheraus ab, die Medizin warnte vor einer Ausbreitung des "Schwachsinns"
angesichts der durch Züge erreichbaren Geschwindigkeiten, die Brandgefahr durch Funkenflug wurde besonders in den Ortslagen zu einer Gemeingefahr hochstilisiert.
Beim Bau der Strecke Alzey-Worms 1867 gelang es gar einem Winzer aus Flörsheim-Dalsheim z.B. vor dem höchsten großherzoglich-hessischen Gericht eine Entschädigung dafür zu erstreiten, daß sich durch die Errichtung eines Bahndammes für die Weinstöcke unzuträgliche Kälte aufstaute.
Nur wenige sahen in der Eisenbahn den "Triumphwagen des Gewerbefleißes" wie der Unternehmer Harkort zur selben Zeit.
Der Frankfurter Sozialgeschichtler Ralph Roth hat hierzu seine Habilitationsschrift als bemerkenswertes Buch vorgelegt:
Das Jahrhundert der Eisenbahn: Die Herrschaft über Raum und Zeit 1814-1914
Hier eine sehr gute Rezension.
http://www.hsozkult.de/publicationrevie ... echer-7414
Das Buch ist z.Zt. als Neuware vergriffen und im Antiquariat leider noch recht teuer, 60-70 Euro derzeit in gutem bis sehr gutem gebrauchten Zustand, erhältlich.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
Re: Der berühmteste Felsen (3 B.)
Die Kirche hat wohl damals schon gewusst, dass der Fortschritt und die mit der Bahn (und anderen technischen Errungenschaften) einhergehende "Beschleunigung des Alltags" sie einigen Einfluss kosten wird...
Zum Glück hatten damals vorausschauende Menschen das Sagen, die die langfristige Bedeutung der Eisenbahn erkannt haben. Das ist heute nicht mehr so oft zu finden.
Zum Glück hatten damals vorausschauende Menschen das Sagen, die die langfristige Bedeutung der Eisenbahn erkannt haben. Das ist heute nicht mehr so oft zu finden.
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Re: Der berühmteste Felsen (3 B.)
Ich sehe das ganze etwas anders.Lochris hat geschrieben: Zum Glück hatten damals vorausschauende Menschen das Sagen, die die langfristige Bedeutung der Eisenbahn erkannt haben. Das ist heute nicht mehr so oft zu finden.
Gerade die einstigen Präferenzen des Bahnbaus, die nicht selten kurzsichtigen Partikularinteressen geschuldet sind und nicht etwa auf kluge, zentrale und überregionale Planung zurückgingen bescherten uns -besonders auf dem Land- Trassenführungen, die oft schon damals, aber erst recht am späteren Bedarf vorbeigingen.
Nicht wenigen Nebenstrecken war deshalb nur ein kurzes Leben beschieden, als krasses Beispiel einer an jeglichen Erfordernissen vorbeigehenden Planung nenne ich hier etwa Enkenbach-Grünstadt oder aber auch die Hunsrück(-quer)bahn, wo es nur über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren einen halbwegs zufriedenstellenden Auslastungsgrad gab.
Nicht selten war auch die Eisenbahn Imponierorgan, so stellt man fest, daß z.B. zur Zeit der bayerischen Rheinpfalz, die immerhin von 1815 bis 1945 sich bis vor die Tore des preußischen Bad Kreuznach erstreckte, selbst bis in entlegene Regionen hinein die Errichtung von prachtvollen und voluminösen Bahngebäuden und technischen Kunstbauten realisiert wurde, einfach nur um etwa den hessischen oder preußischen Nachbarn zu zeigen, was man drauf hatte.
Beispiele: Die reichlich überdimensionierten Empfangsgebäude von Kirchheimbolanden oder Marnheim bzw. das dortige Pfrimmtalviadukt oder die Glantalbahn mit ihren vielen Stationsgebäuden und Bahnwärterhäusern, in denen der bayerische Staatsbahner repräsentativer untergebracht war als mancher Schullehrer.
Am Ende zeigte sich etwa im heutigen Rheinland-Pfalz nur etwa die Hälfte des Netzes überlebensfähig - man hatte größtenteils am Bedarf vorbei geplant, eine Tragik, die bis heute für den Untergang noch so manchen Kilometers Nebenstrecke sorgen wird.
Die beiden Rheinstrecken indes sind bis heute hoch effektiv und nützlich, wenn sie nicht durch wahnsinnige Planungen (Tunnel bei Oberwesel) oder die Zumutungen gewisser gelangweilter BI-Funktionäre zerredet werden.
In einem gebe ich den Bahnkritikern des 19.Jahrhunderts indes recht:
Die Beschleunigung des täglichen Lebens hat -beginnend mit der Bahn- heute ein krankmachendes und nicht selten auch
todbringendes Stadium erreicht, wahre Lebensqualität erreicht man nicht mehr dadurch, daß man immer mehr in immer kürzerer Zeit konsumiert, sondern indem man auf vieles, was möglich wäre, zugunsten eines wirklichen Nutzens verzichtet.
Und zu diesem Verzicht auf Geschwindigkeit zugunsten einer echten Reisequalität gehört z.B. auch eine Fahrt mit dem MAN-Schienenbus von Troubadix Rhenus entlang des Mittelrheines.
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