heute berichte ich vom Sterben eines früher bedeutenden Bahnhofes, in dem sich zwei zweigleisige Hauptbahnen kreuzten und auch eine Nebenbahn abzweigte.
Im Jahr 2006 hatte ich mal hier einen kleineren Beitrag veröffentlicht, der aber mittlerweile fast alle Bilder verloren hat. Außerdem war ich damals ein Scan-Azubi. Deshalb wird die Sache jetzt neu aufgerollt und durch weiteres Material ergänzt.
Nur ganz kurz vorweg:
Bereits 1848 hielten in Jerxheim durchgehende Züge zwischen Köln und Berlin. Noch bis 1939 rollten hier täglich mehrere Schnellzüge durch, die Berlin mit Basel, Karlsruhe oder Köln verbanden. Ein Rangierbahnhof und ein Bw mit 12-ständigem Lokschuppen waren auch vorhanden....
Wer mehr hierüber wissen möchte, dem kann ich nur das seit Langem vergriffene und häufig gesuchte Buch „Chronik des Bahnhofs Jerxheim“ von Friedrich Brandes ans Herz legen – und das Beste ist: Die Technische Universität Braunschweig hat es komplett als PDF-Datei ins Internet gestellt!
http://digisrv-1.biblio.etc.tu-bs.de:80 ... E6C01BDC42
Zur Orientierung ein erster Blick auf die Karte der BD Hannover vom 19.10.1945 – die Zonengrenze ist erst ein reichliches Vierteljahr alt.

1977 sah es hier schon dünner aus:

Eine Besonderheit, die so manchen Modellbahner reizen dürfte, ist die Tatsache, dass dieser hochinteressante Bahnhof außerhalb einer Ortschaft lag. Das mag die folgende Topografische Karte (TK25 Blatt 3931, Stand 1927) belegen.

Gerald Miska hat einen ausgezeichneten Gleisplan – Stand 1940 – erstellt, den ich dankenswerterweise von Carsten (Philosoph) zur Verfügung gestellt bekam. Zwecks Verdeutlichung der Schienenwege habe ich den Plan etwas koloriert.
Wegen der vielen Details konnte ich die Grafik hier nicht unterbringen; nutzt daher bitte den Direktlink.
Und achtet darauf, dass auf diesem Plan Norden unten ist!
http://imagizer.imageshack.us/a/img674/1781/XzTNTd.jpg
Doch nun einige Bilder aus den letzten Jahren des Bahnhofes.

Bild 1:
Andreas und ich besuchten Jerxheim am frühen Nachmittag des 13. Juli 1982. Dieser Blick aus dem Stellwerk Jw lässt nur noch ahnen, dass hier einmal 29 Gleise gelegen hatten.
Links ist leicht verdeckt das Empfangsgebäude zu sehen, dem drei Bahnsteige vorgelagert sind. Am Bahnsteig I führt nur noch das Gleis 2 vorbei. Bahnsteig II bietet Zugang zu den Gleisen 3 und 4. Vom Bahnsteig III existiert nur noch ein Fundament und der 1967 zugemauerte Fußgängertunnel. Dort spielte sich der Verkehr mit Nienhagen und Eilsleben ab.
Zwischen den noch intakten beiden Bahnsteigen erkennt man das Stellwerk Jo und direkt dahinter das frühere Empfangsgebäude von Jerxheim.
Der Beamte auf dem Stellwerk erklärte uns, dass ein Betrieb bis zur Lampenreihe vorgesehen war; rechts davon sah es schon ziemlich marode aus, und bereits 1983 begann dort der Rückbau. Im darauffolgenden Jahr brauchte man keine Stellwerker mehr, weil Jerxheim zum Haltepunkt amputiert wurde.
Nach diesem sentimentalen Ausblick jedoch schnell – mit dem Segen des Stellwerkers – rechts hinter die Lampenreihe, um die Kreuzung von 6240 und 6241 (613-Garnituren) nicht zu verpassen.

Bild 2:
Bahnsteige und EG aus Südwesten.

Bild 3:
EG von Süden.

Bild 4:
Im Vordergrund 6241 (Braunschweig 13.21 – 13.58 Jerxheim 14.04 – Helmstedt 14.28),
bestehend aus (von links nach rechts) 913 603 + 913 021 + 613 609.
Dahinter 913 605 + ein unbekannter 913 + 613 602.

Bild 5:
Gleiche Szene, Blick aus Südost.

Bild 6:
Ausfahrt des 6241 nach Helmstedt.
Ich bin mir nicht sicher, das alle drei Bilder von mir stammen, da Andreas und ich uns häufiger auf verschiedene Standorte verteilten und dann die jeweiligen Bilder austauschten. Unter uns sehen wir das nicht so eng, wenn wir unsere „Schätzchen“ aus den gemeinsamen Touren mal herumzeigen.

Bild 7:
Anschließend lichteten wir noch den 6247 (Braunschweig 14.21 – Helmstedt 15.27) auf dem früheren Gleis 2 ab.

Bild 8:
Dann der Schock: Völlig unvorbereitet tauchte ich am 31.05.1985 in Jerxheim auf, um die letzten 612/613-Einsätze zu fotografieren. Es sah aus wie nach einem Bombenangriff – Jerxheim nur noch ein Hp!

Bild 9:
Das alte Gleis 4 war das letzte Überlebende.

Bild 10:
Die Stellwerke verwaist – hier Jw.

Bild 11:
Betrübt ging ich in den östlichen Teil, um den 6250 (Helmstedt 16.08 – Jerxheim 16.30 – Braunschweig 17.07), bestehend aus 515 114 sowie 515 507 zu erwarten.
Mit aufs Bild sollte das Stellwerk Jo, das historische EG, das nur von 1843 bis 1869 seinen Zweck erfüllte, sowie der Bahnübergang der Bundesstraße 244.
Da in Jerxheim keine Kreuzung mehr möglich war, bekam der 6250 den Gegenzug 6253 im Bahnhof Watenstedt zu sehen....

Bild 12:
Als der 6253 (Braunschweig 15.56 – Helmstedt 17.04), bestehend aus 912 601 und 612 507 dann tapfer das Trümmerfeld Jerxheim passierte, ließ sich zaghaft die Sonne blicken.

Bild 13:
Die Ausfahrt des 6253 im Ostteil des ehemaligen Bahnhofs Jerxheim lässt erahnen, was hier einmal los gewesen sein muss. Der Schotter rechts war früher für die zweigleisige Hauptbahn Richtung Magdeburg sowie das Nebenbahngleis nach Nienhagen gedacht. Und das Gleis ganz links, das von Helmstedt her kam, war zu diesem Zeitpunkt schon tot.
Und es kam noch viel schlimmer: Der Tagebau südlich Helmstedt forderte das Ende des Bahnbetriebes in Jerxheim. Seit dem 8. Dezember 2007 kommen Züge nur noch nach Schöppenstedt in diese Region.
Durch die Ziehung der Zonengrenze konnte man ab 1945 nicht mehr nach Dedeleben oder Gunsleben fahren.
Und Richtung Mattierzoll fuhr Silvester 1975 der letzte Zug.
Dennoch war und bleibt Jerxheim für mich einer der faszinierendsten Bahnhöfe Deutschlands.
Uns so sieht es heute dort aus:
http://www.drehscheibe-online.de/foren/ ... sg-6749889
Es grüßt Euch
Günter