Am heutigen Donnerstag hatte ich etwas früher frei und deswegen hatte ich mich entschlossen, unter Mitnahme des Fahrrades von Bonn nach Bad Münstereifel zu fahren (die Rückfahrt erfolgte dann mit dem Fahrrad). Ich hatte das schon länger vor, aber die Aussicht, dabei den neuen "Vareo" kennenzulernen, ließ mich dann endlich zur Tat schreiten. In Euskirchen stand den neue Triebwagen der Baureihe 620 auf Gleis 5. Ein weiteres Fahrzeug direkt daneben:
Der Blick ins Innere zeigt, dass sich das Design gegenüber dem Talent kaum verändert hat. Allerdings war das Fahrradabteil eine große Enttäuschung. Zunächst: Es gibt nur eines am Ende des ziemlich langen Zuges. Es ist also absehbar, dass es ein ordentliches Gerenne und Geschiebe auf dem Bahnsteig geben wird, wenn hier mal mehr Andrang als heute Mittag um 13:30 Uhr herrscht. Die anderen Türbereiche bieten kaum Platz, ein Fahrrad oder einen Kinderwagen unterzubringen. Anders als beim Talent. Also wird alles zum einzigen tauglichen Abteil stürmen. Das Fahrradabteil ist darüber hinaus sehr verbaut. Zunächst sind die mitten im Raum stehenden Griffstangen zu nennen. In etwas volleren Zügen wird das Manövrieren mit Fahrrädern, schwerem Gepäck und Kinderwagen dadurch unnötig behindert. Ein- und Ausstieg werden folglich unnötig verzögert. Derjenige Theoretiker, der darüber hinaus auch noch auf die grandiose Idee gekommen ist, zusätzlich jeweils zwei Doppelsitze quer zur Fahrtrichtung neben der Tür einzubauen, so dass der Zugang zum Fahrradabteil erheblich verengt und damit erschwert wird, sollte verurteilt werden, an einem sonnigen Tag am Wochenende mal dort auf dem äußeren Sitz Platz zu nehmen, sagen wir von Köln bis Gerolstein. Er müsste im Boden versinken. Ich sehe schon die Drängelei und das Chaos mit den Fahrrädern vor meinem geistigen Auge. Im Bild ist gut zu sehen, dass gegenüber dem hinderlichen Doppelsitz auch noch ein junger Mann auf einem vorgezogenen Klappsitz hockt. Bei einem voll besetzten Zug wird es absehbar ein Chaos werden, an diesem Engpass vorbei zu kommen, wenn entsprechender Andrang herrscht. Mein Rat, wenn hier ein vernünftiger Verantwortlicher im Forum mitliest: Sofort ausbauen. Andernfalls gibt es im Sommer an dem Nadelöhr Mord und Totschlag.
Beim Befestigen der Fahrräder bleibt alles beim Alten: Haken für Spanngurte gibt es wieder nur oben am Sitz. Weiter unten habe ich keine Stelle gefunden, um den Spanngurt anzubringen. Das ging beim Talent immerhin notdürftig am Sitz. Auch nicht ideal, aber immerhin. Beim 620 allerdings: Fehlanzeige. Fahrräder lassen sich ohne einen unteren Haken mit Spanngurten nicht so stabil arretieren und rutschen unten schon mal weg und kippen gelegentlich sogar um, wenn der Gurt nur oben (zu stark) spannen kann. Schade. Noch eine Chance vertan!
Für normale Fahrgäste hat sich jedoch einiges zum Besseren verändert: Die Sitze sind signifikant weicher, ergonomischer geformt und damit bequemer als im Talent. Der Brüller ist das zwar noch immer nicht, aber ich fand es schon merklich besser als im Talent. Das gilt auch für die schönen Klapptische und die praktischen Steckdosen. Ein echter Fortschritt. Wie lange es allerdings dauern wird, bis die Steckdosen versaut sind, bleibt abzuwarten. Die klappbaren Armlehnen haben mir übrigens auch gefallen.
Der Zug ist sehr abwechslungsreich bestuhlt. Es gibt alle möglichen Sitz-Varianten, solche mit viel Beinfreiheit, gegenüber, zu dritt oder quer zur Fahrtrichtung. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Der Sitzabstand für meine 186 cm ist m. E. völlig OK. In der Mittelrheinbahn sitzt man deutlich unbequemer.
Beim Blick mit dem Tele wird deutlich, wie verschachtelt und zugebaut der Zug ist. Man erkennt vorne das Fahrradabteil, dahinter die Stufen, dann die Dreierbestuhlung. Daneben ist links eine Reihe von Klappsitzen längs zur Fahrtrichtung angebracht. Diese Konstruktion wollte ich eigentlich noch mal in Ruhe in Bad Münstereifel begutachten und fotografieren, genau so wie die Toilette. Ich hatte die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht; an der Endstation stürmten Massen von Schülern den Zug, so dass keine weiteren Fotos vom Innenbereich mehr möglich waren. Daher nur eine Beschreibung: Die seitliche Sitzreihe hat wieder diese Ösen wie im Fahrradabteil, so dass man vermuten darf, dass hier Fahrräder abgestellt werden können. Das sehe ich allerdings als sehr problematisch an. Erst mal muss man mit den Rädern die lästigen Stufen hoch und der Gang ist nicht sehr breit, so dass man da schnell den Durchgang verbaut, wenn ein Fahrrad oder Kinderwagen an der Seite steht. Da kommt man dann kaum noch vorbei. Mit einem zweiten Fahrrad erst recht nicht. Ich fürchte, dass das auch zu Chaos führen wird.
Was mir noch aufgefallen ist: Der Zug ist etwas leiser als einer der Baureihe 644, aber deutlich lauter als einer der Baureihe 643. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass er seitlich etwas stark schaukelt. Das könnte aber auch an der Strecke liegen, die ich zuvor noch nie gefahren bin. Die Klimaanlage funktionierte übrigens einwandfrei und das Raumklima war angenehm (Temperatur und Feuchtigkeit waren nach meinem Gefühl richtig abgestimmt, was eine gute Klimaanlage kennzeichnet). Dann ist mir noch aufgefallen, dass die Ablagen für Koffer recht groß sind. Da passt - gefühlt - mehr rein als beim Talent.
Wie geschildert, in Bad Münstereifel wurde der Zug sofort gestürmt, so dass nur noch Gelegenheit blieb, ein Foto von außen zu erstellen:
Fazit: Der Zug bringt einige Verbesserungen in Sachen Komfort und Ausstattung, durch die zahlreichen reingequetschten Sitze und die teilweise großen Distanzen zu den Türen wird es aber erhebliche Probleme beim Ein- und Ausstieg geben (zumal wieder Klappsitze im Eingangsbereich montiert wurden). Und mit Fahrrädern sehe ich erhebliche Probleme auf die Reisenden zu kommen.
Die Rückfahrt mit dem Fahrrad war übrigens ein Genuss. Einfach der Fahrradweg-Beschilderung folgen. Man wird nur über verkehrsarme Straßen und Wirtschaftswege geführt. Sehr zu empfehlen.