Abenteuer Lichtenfels (1980, m11B)

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Andreas T
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Abenteuer Lichtenfels (1980, m11B)

Beitrag von Andreas T »

Hallo, Freunde der Eisenbahn,

vor fünf Jahren im Dezember 2005 habe ich (damals in zwei Teilen) folgenden, sehr textlastigen Beitrag über meinen erste „richtige“ eigene Fototour vom April 1980 nach Lichtenfels geschrieben und bei Drehscheibe-online eingestellt. Damals haben sich erstaunlich viele Pfiff-Club-Mitglieder im HiFo geoutet.
Über diesen Beitrag, den ich bislang nicht im „Kuschelforum“ veröffentlicht habe, bin ich eben gestolpert und möchte ihn Euch – jetzt wieder mit Bildern – nicht vorenthalten:

Damals schrieb ich:

(Teil 1)



vor ein paar Tagen musste ich unter dem Dach einige alte Kisten verschieben, die dort seit langer Zeit unberührt standen. Und zu meiner Überraschung rutschte mir eine Klarsicht-Tüte entgegen und entleerte ihren über 25 Jahre alten Inhalt: Alte, handgeschriebene Protokolle von meinen ersten Eisenbahntouren, aber auch meinen „Pfiff-Klub-Ausweis“ mit der Mitgliedsnummer 102 280 und meinen ersten „Junior-Pass“.


Bild
Zusammenfassung.jpg

Und schon kamen all die verschütteten Erinnerungen wieder zum Vorschein ......

Mein Ausweis des Pfiff-Klubs „Hp1“, der Zugangsschlüssel zu all den sonst für kleine Jungs unerreichbaren Bereichen der Eisenbahn. Was war ich damals stolz, mich mit diesem Dokument ausweisen zu können. Mittlerweile glaube ich allerdings, dass man die richtigen Eisenbahner durch das Vorzeigen dieses Ausweises eher amüsiert als beeindruckt hat. Überhaupt: Das „DB mit Pfiff“ - Heft – alles längst Geschichte.

Mein erster Junior-Pass, der mir seit November 1979 die Tür zur Welt etwas weiter aufgeschoben hatte.

Und die handschriftlichen Protokolle, die ich zu Ostern 1980 auf meiner ersten, alleine durchgeführten, mehrtägigen Tour nach Lichtenfels gemacht hatte.

Einen halben Tag habe ich gebraucht, um meine damaligen Bilder, die Protokolle und das damalige Kursbuch Winter 1979/80 – übrigens das erste Kursbuch in türkiser Farbgebung – anzuschauen, bis der Entschluss zu diesem HiFo-Beitrag über meine Tour nach Lichtenfels gereift war.


Erst einmal musste ich meine Eltern weich kneten, mir eine allein durchgeführte mehrtägige Tour zu erlauben. Nachdem mir das auch unter Hilfe meiner älteren Brüder gelungen war, ließ ich mir nicht nur meinen Kinderausweis, sondern auch eine schriftliche Erklärung meiner Eltern, dass ich „auf Reisen“ sei, aushändigen. Andernfalls hätte mich wohl die erste Polizeikontrolle als „Ausreißer“ erkannt und zwangsweise heimgeführt.
Dass Lichtenfels ein attraktives Ziel mit viel Altbau–Elektroloks war, wusste ich. Dass die dortige Jugendherberge preisgünstig war, war auch herauszubekommen. Wichtig war dabei ja auch, dass man nicht verpflichtend das Frühstück nehmen musste, schon wegen der ersparten Kosten und den sonst versäumten Frühzügen. Dann musste noch das Fahrtkostenproblem gelöst werden. Zum Glück waren meine Eltern am 14.04.1980 auf dem Weg nach München und konnten mich so bis Würzburg mitnehmen. Mit meiner Olympus 35 RC (einer 42mm-Kleinbildkamera), die ich seit Weihnachten 1978 hatte, konnte man technisch halbwegs brauchbare Bilder machen. Und mit den (im Vergleich zu heute viel teuren) Filmpreisen musste man halt leben: Ein einziger Kodachrome 64 kostete damals ungefähr 16 DM ! Dafür mussten zuvor viele Stunden Weinbergsarbeit abgeleistet sein. Und schließlich war ein kleines Marschgepäck (Kursbuch, Landkarte, Schlafanzug, Essen) zu packen.

Und dann ging es am 14.04.1980 endlich los. In Würzburg führte mich mein erster Weg zum Bw. Die Anzahl der abgestellten und in Betrieb befindlichen 118er, 144er und 194er war überwältigend. Mit dem „Pfiff-Klub“-Ausweis bewaffnet ließ mich das Personal der Lokleitung sogar frei laufen, es war einfach Klasse. Da ich an dieser Stelle nicht mit meinen im Bw gefertigten Reihenaufnahmen langweilen will, habe ich mich für ein


Bild
1980.04.14-01+-21+Wuerzburg+103+004.jpg

Bild von 103 004 mit einem Messzug, abgestellt vor dem Bw, entschieden.

Nach dem Rückweg zum Bahnhof konnte man auch dort ohne Aufwand Betriebsbilder fertigen, so wie

Bild
1980.04.14-02+-25+Wuerzburg+118+021+6259.jpg

118 021 als 6259.

Mit E 2785 ging es über Schweinfurt und Bamberg nach Lichtenfels, wo man sich abends einen ersten Eindruck vom Planbetrieb der Altbau-Loks machen konnte

Bild
1980.04.14-04+-31+LF+118+055+3009+144+066+7013.jpg

wie hier 118 055 als 3009 neben 144 066 als 7013. Ich war überwältigt. Aber trotzdem wollte ich lieber schnell in die Jugendherberge, es war ja doch alles neu für mich. Der (zwanzig Minuten dauernde) Fußweg zog und zog sich, und das auch noch bergauf. Die von freundlichen Herbergseltern geführte Jugendherberge als solche war schön und preiswert. Da wenig los war, bekam ich ein 24-Mann-Zimmer unter dem Dach – für mich alleine. Anfangs war es zwar noch schön, am offenen Fenster in der untergehenden Sonne das Protokoll über die gefertigten Fotos zu schreiben. Aber in der Nacht habe ich dann doch das Licht im Bad brennen gelassen .....


Am nächsten Morgen ging es sofort zum Bahnhof, um mit der Frühsonne die ersten Fotos zu fertigen. Schnell wurde auf dem Weg noch eingekauft, Brötchen, Wasser und Schokolade. Aber schon bald zog es mich vom Bahnhof Lichtenfels weiter, ich wollte mit dem von 118 010 geführten 3002 nach Neustadt. Zu meiner großen Freude ließ sich der Lokführer überreden, mich auf dem Führerstand mitfahren zu lassen – ein für mich unvergessliches Erlebnis. Nachdem es mir einmal Dank meines Bruders Günter T im zarten Alter von 4 Jahren vergönnt war, auf dem Führerstand einer BR 50 mitzufahren, und ich insoweit den Vergleich kenne, kann ich nur sagen: Auch Altbauloks sind von Sound her nicht zu verachten.

Nachdem ich in Neustadt ein

Bild
1980.04.15-14+-32+Neustadt+bC+118+010+7027.jpg

Foto von der 118 010 (man beachte das blaue Dach) vor dem nach dem Umsetzen als 7027 zurückfahrenden Zug gemacht hatte und – natürlich – einen Blick auf die Sperranlagen der verhassten „Zonengrenze“ geworfen hatte, ging es an der markanten Spielzeugfabrik an der Bahnhofsausfahrt vorbei zurück nach Coburg, von da aus mit 144 088 als 7026 wieder nach Neustadt und von dort aus als 7029 zurück nach Lichtenfels. Dabei konnte ich in Coburg den von 211 068 geführten Personenzug 8087 nach Rossach ablichten, doch leider im halben Gegenlicht und ohne Mitfahrt. Dass man für ein gutes Bild über Gleise hätte laufen können, kam mir damals noch nicht in den Sinn.

In Lichtenfels angekommen, folgte ich den guten Ratschlag, in der dortigen DB-Kantine die Essensversorgung sicherzustellen. Die dort verantwortliche Dame hat zwar über meinen Auftritt geschmunzelt, aber kommentarlos den Bediensteten-Tarif gewährt – es war einfach lecker und gut. So gestärkt konnte ich dann bis zum Sonnenuntergang alles ablichten, was sich bewegte, und das war wirklich viel. Neben den Personenzügen nach Neustadt (mit 144) gab es vor allem die Güterzüge über die Frankenwaldbahn, häufig mit 194. Und daneben „Füllprogramm“ aus 614, 798, 218 und vielen Baureihen mehr. Als ich schon fast in der Dämmerung wieder in der Jugendherberge angekommen war und mein Protokoll schrieb, hatte ich 42 Eintragungen für diesen Tag.

Nach so vielen Eindrücken viel mir das Einschlafen doch erheblich leichter als am Vortag.


Soviel für heute. Nachdem mir schon vom Tippen die Finger weh tun, werde ich – bei entsprechendem Interesse - mich auch den beiden anderen Tagen zuwenden, die mich am 16.04.1980 nach Hof und auf der Rückfahrt am 17.04.1980 in das Bw Bamberg (zu den dort abgestellten Museumsfahrzeugen) führten.

In jeden Fall würde es mich freuen, wenn sich andere Leser als frühere „Pfiff-Klub“-Mitglieder outen würden und antworten. Wo sind die 102 179 Mitglieder, die vor mir eingetreten sind? Dass ich der Letzte (das Letzte ?) gewesen bin, kann ich jedenfalls nicht glauben.


(...)

(Teil 2)



Nachdem ich am 16.04.1980 – wie immer aus Kostengründen ohne Frühstück – die Jugendherberge in Lichtenfels verlassen hatte und mich wieder unterwegs mit Brötchen, Wurst und Getränken versorgt hatte, nutzte ich zunächst das frühe Morgenlicht im Bahnhof Lichtenfels.

Weil ich schon früher viel von der „schiefen Ebene“ und den dort 10 Jahre vorher verkehrenden Hofer 01ern gehört hatte (alle kannten den DB-Film), entschloss ich mich zu einem Abstecher nach Hof. Ich machte mich also um 7.58 Uhr mit E 2957 auf den Weg. Aus dem Zug heraus konnte ich in Kulmbach den Anschlusszug nach Thurnau sehen, aber nicht fotografieren. Neuenmarkt-Wirsberg und das nördlich liegende (Museums-) Bw interessierte mich weniger, ich war schon damals hauptsächlich am Planbetrieb interessiert. Dann ging es auf die „Schiefe Ebene“ – und ich war enttäuscht. Aus dem Zug heraus war das Besondere dieser Strecke praktisch nicht zu spüren. Selbst in Münchberg stand kein Schienenbus (Richtung Hembrechts).

In Hof angekommen gab es auch wenig Erfolgserlebnisse. Zwar stand im besten Licht


Bild
1980.04.16-xx+-21+Hof+218+201+5826.jpg

218 201 (man beachte die glänzend grünen Umbauwagen) als 5826. Aber die einzige „Zonenlok“ 132 597 stand im Gegenlicht und für mein 42mm-Weitwinkel-Objektiv meiner Olympus 35 RC eigentlich zu weit weg auf einem Nebengleis. Auch das Bw mit dem Rechtecklokschuppen war wenig ergiebig. Letztlich waren die Köfs und der Schneepflug noch die schönsten Motive; auch die Bahnhofsbuchhandlung hatte schöne Bücher ausgestellt. Etwas geknickt machte ich mich mit E 2450 wieder auf den Rückweg.

Jetzt begann es, mehr Spaß zu machen. In Münchberg stand der Schienenbus nach Helmbrechts, und aus dem Zugfenster konnte ich – wenn auch im Gegenlicht – ein Köf ablichten. Bei einem Zwischenstopp in Neuenmarkt-Wirsberg stand fotogen ein 614 abgestellt. Warum ich allerdings meinen Zug 5826 nach Lichtenfels verpasst habe, ist mir noch heute unerklärlich.

Diese Werbung habe ich erst später im Sommer 1980 im Bw Betzdorf in einem abgestellten 795 abgelichtet – sie wäre aber passend zu meinem Missgeschick gewesen:


Bild
Klarer+mit+Speck.jpg

Aber was schadete es, es gab ja noch mehr Züge. So erreichte ich Lichtenfels mit E 2650 und widmete mich dann wieder dem Zugprogramm im Bahnhof.

Typisch für Lichtenfels waren die auf den nördlichen Gleisen bereitgestellten Güterzüge über die Frankenwaldbahn, häufig von 194 bespannt. Hier gelang es mir sogar, gleich zwei Exemplare dieser Gattung nebeneinander abzulichten:


Bild
1980.04.16-xx+-33+Lichtenfels+194+571.jpg

194 541 und 194 571.

Später, als das Licht schon von der anderen Gleisseite kam, konnte man das in meinem letzten Bericht genannte „Füllprogramm“ (also alles außer Altbauloks) sogar auf einem Bild dokumentieren:

Bild
1980.04.16-27+-20+614+037+3583+260.jpg

140 812 neben 260 243 neben 614 037 als 2583.

Aber das Beste waren noch die ständig fahrenden Altbau-Elloks

Bild
1980.04.16-xx+-35+Lichtenfels+194+562.jpg

wie hier 194 562 mit einem Tankwagenzug. Doch auch an diesem Tag ging irgendwann die Sonne weg, und dann begann mein „Kulturprogramm“: Vor dem Rückweg in die Jugendherberge gönnte ich mir „Luxus pur“ und bestellte in der Stadt in einer Wirtschaft ein Schnitzel mit Beilagen – nach diesem ereignisreichen und essensarmen Tag ein wahrer Hochgenuss.


Es begann der letzte Tag meiner Fahrt. Nachdem ich mich in der Jugendherberge abgemeldet hatte, stellte ich mir wie immer auf dem Weg zum Bahnhof ein Essenspaket zusammen.

Am Vormittag noch ein paar Bilder im Bahnhof, ein letzter Besuch in der DB-Kantine, und dann hieß es Abschied nehmen. Mit E 2450 fuhr ich nach Bamberg.
Da ich erfahren hatte, dass im dortigen Bw Bamberg einige Museumsfahrzeuge abgestellt waren, nahm ich den doch recht langen Fußweg in Kauf. Besser als die dort im Schuppen im Dunkeln abgestellten 220 002, 280 002, 220 006 und 692 501 (auch „Kartoffelkäfer“ genannt) fand ich jedoch auf dem vorherigen Hinweg die im Bahnhofsvorfeld abgestellte 120 003 (ganz modern) und die mehrfach in das Bw einfahrenden 118er,

Bild
1980.04.17-15.3+-07+Bamberg+Bw+118+039.jpg

wie hier 118 039 unter der Fahrdraht-Spinne. Ich möchte in diesem Zusammenhang dankbar hervorheben, dass auch in Bamberg das Lokleitungs-Personal äußerst kooperativ war und mir sogar ohne Begleitung das Betreten des Bw-Geländes erlaubte. Ich denke, ich habe auch später immer versucht, dieses mir entgegengebrachte Vertrauen durch anschließende doppelte Umsicht zu rechtfertigen. Und was gab es nicht alles im Bw zu entdecken: Ein merkwürdiger silberner Triebwagen (bereits auf dem 118er-Bild oben im Hintergrund zu sehen)

Bild

mit einem mir unbekannten Emblem „VPS“, Eichfahrzeuge und vieles mehr.

Damals antwortete mir im HiFo "Werner" und teilte mir mit.:
Hallo, VPS, silberner Zug, das kann nur der von LHB 1957 gebaute Doppeltriebwagen VT40 901 sein, der sog. Hüttenflitzer der Verkehrsbetriebe Peine - Salzgitter. M.W. wurde der nach Italien verkauft.f


Doch die Zeit drängte, und ich musste endgültig heim. Schnell noch eine 118 im Bahnhof Bamberg geknipst, dann ging es über Schweinfurt nach Würzburg, wo ich – erstmals in meinem Leben – mit einen IC die Weiterfahrt nach Wiesbaden antrat und spät abends zu Hause ankam.

Erschöpft und dreckig (Ersatzwäsche kam in meinem Bericht nicht ohne Grund nicht vor, ich wusch jeden Abend unterwegs im erforderlichen Umfang meine Wäsche im Waschbecken) genoss ich die Vorzüge des heimischen Bads und der heimischen Küche. Doch letztlich bedauerte ich es, dass diese für mich so abenteuerliche Fahrt schon zu Ende gegangen war.


Und um so mehr freue ich mich, dass all diese lange verschütteten Erinnerungen vor wenigen Tagen durch das Wiederfinden meines Pfiff-Klub-Ausweises, meines Junior-Pass und meiner damaligen Reiseprotokolle wiederbelebt werden konnten.


Eine Ergänzung muss ich heute aber noch machen, nämlich den Verweis auf das Club-Heftchen "DB mit Pfiff" und den dortigen Stra "Tim Nörgelkopf" ...


Es grüßt Euch

Andreas T

Gute Eisenbahnfotografie zeigt sich in der Kunst, der Eisenbahn einen würdigen Rahmen Natur zu verleihen.

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Knipser1
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Re: Abenteuer Lichtenfels (1980, m11B)

Beitrag von Knipser1 »

Hallo Andreas,

die Pfiff-Hefte sind mir natürlich ein Begriff.

Ich erinnere mich gut daran, das ich mir diese regelmäßig an dem (damals noch mit Fahrdienstleiter besetzten) Kottenheimer Bahnhof in der Wartehalle aus dem Info-Ständer geholt habe.

Ich war dann später auch Mitglied im "DB-Junior-Club".

Irgendwo muß auch dieser Ausweis noch stecken.

Viele Grüße

Guido
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