Ochtendung lebt !!!

Rolf
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Rolf »

KoLü Ksf hat geschrieben:...Volkswirtschaftlich gesehen muss ich Horst Heinrich völlig recht geben. ...
Wenn ich Euch richtig verstehe, haltet Ihr es für einen volkswirtschaftlichen Fehler, dass die Bahn in den letzten Jahrzehnten personalmäßig dramatisch verschlankt wurde, um Kosten zu senken, weil die eingesparten Personale an anderer Stelle dann wieder den Staatshaushalt als Arbeitslose belasten.

Dem kann ich nicht zustimmen. Erstmal ist es nicht Aufgabe der Bahn, eine soziale Auffanggesellschaft des Staates zu sein. Zu Ende gedacht hieße das nämlich, dass der (künstlich) aufgeblähte Arbeitgeber Bahn insbesondere solchen Leuten Arbeit und Brot gibt (Besoldungsgruppe A8 abwärts, s. o.), die am Arbeitsmarkt nicht oder nur schwer vermittelbar sind. Wer gut ist, findet einen besser bezahlten Job abseits der Bahn. Diejenigen, die keinen besseren Job bekommen, dürfen dann bei der Bahn was finden (Schrankenwärter oder so). Das Ergebnis wäre eine Negativauslese und würde der Bahn kaum zur Zier gereichen.

Zweitens wurde das soziale Problem schon mal so kaschiert wie es hier scheinbar gewünscht wird, nämlich in der DDR. Dort hatte jeder Betrieb Personalüberhang mit den ganzen bekannten Folgen (ich spare mir die Details). Weit ist die DDR mit diesem Prinzip nicht gekommen. Ich kannte ja schon den recht gemütlichen Betrieb der alten Bundesbahn (mein Vater war dort 45 Jahre Beamter in so hoher Stellung, dass er vielfältige Einblicke bekommen und uns Kindern einiges davon erzählt hat), aber was ich bei einer Visite in DR-Betriebswerk Glauchau/DDR 1987 zu sehen bekam, schlägt das noch um Längen. Mir wurde schlagartig klar, warum dieses System so schlecht funktionierte. Die DDR hat ihre Arbeitslosen gewissermaßen in den Betrieben „versteckt“, da sind sich alle Ökonomen ziemlich einig. Und dass das nicht gut gehen konnte, ist am praktischen Beispiel mehr als erwiesen, auch wenn sicher noch ein paar andere Defizite hinzukommen, die dem System der DDR den Garaus gemacht haben.

Ich sehe zwischen einem A8-besoldeten (und pensionsberechtigten) Beamten schon einen sehr großen Unterschied zum Hartz-IV-Empfänger. Der Beamte kostet deutlich mehr.

Fazit: Eine personalintensive, altmodische, aufgeblähte DB ist für mich keine Alternative zur „verschlankten“ Bahn. Solange die DB ein Kostgänger des Steuerzahlers ist, hat der auch ein Recht darauf, wenigstens eine möglichst hohe Effizienz dieser defizitären DB einzufordern. Ich bestehe sogar darauf.

Um nicht falsch verstanden zu werden. Vieles von dem, was hier geschrieben wurde, unterschreibe ich. Aber ich unterschreibe nicht, dass die DB sozialer Reparaturbetrieb des Staates sein sollte. Wer glaubt, dass das Sinn macht, betrachtet die Welt in meinen Augen zu sehr durch die rosarote Brille. Im doppelten Sinne. Vielmehr fände ich es ehrlicher, wenn man Arbeitslosen beispielsweise die Möglichkeit eröffnen würde, sich als „Hilfsschaffner“ oder ähnliches nützlich zu machen. In dem Maße, wie Zerstörungen zurück gehen, könnte man die Betreffenden mit einem angemessenen Aufgeld entlohnen. Wenn auf jedem Zug jemand mitfahren würde, der nichts anderes macht als aufpassen, wäre schon viel gewonnen. Einige Städte überlegen ja schon, Arbeitslose als Aufpasser auf Straßenbahnen mitfahren zu lassen. Eine gute Idee, finde ich.

Schlussendlich möchte ich feststellen, dass ich den Abbau der Strecke zw. Koblenz und Mayen natürlich auch bedauere (auch wenn ich den Fahrradweg auf der Trasse traumhaft schön finde und gerne nutze), aber die damalige „Behördenbahn“ war einfach noch nicht reif für moderne Lösungen. Die Bahnfreunde vielleicht, aber die Mehrheit der Bevölkerung nicht. Die wollte lieber Auto fahren. Und da die Politik durch Wahlen entschieden wird, hat man Straßen gebaut, um wieder gewählt zu werden, und (unsystematisch) Strecken stillgelegt, wenn das Bahndefizit zu groß zu werden drohte. So einfach ist das. Ein Politiker, der ganz offen gefordert hätte, mehr Geld in die Bahn zu stecken und entsprechend weniger in den Straßenbau, hätte dafür keine Mehrheiten gefunden. Man erinnere sich: Staatsziel war es, jedem Bürger einen Autobahnanschluss zu garantieren, der max. 25 km vom Heimatort entfernt ist. Das war damals der Zeitgeist! Die Mehrheit der Bürger wollte lieber Straßen statt Bahnen. Und wenn man sieht, wie gering der Anteil des öffentlichen Personenverkehrs am Gesamtaufkommen im Vergleich zum KFZ auch heute noch ist, würde eine Abstimmung auch heute wohl kaum anders ausfallen.

Die Schweizer sind da sicher ganz anders ‚drauf’, keine Frage. Aber die Schweiz ist ein reiches Land. Man ist dort bereit, sich den Luxus einer teuren, im positiven Sinne altmodischen Bahn zu leisten. Die Mehrkosten werden in der Schweiz, das ist dort Mehrheitsmeinung, vom Steuerzahler übernommen. Doch auch in der Schweiz gibt es Personalkürzungen; der Druck ist auch dort vorhanden, das Defizit nicht ausufern zu lassen. In Deutschland würde sich vermutlich keine Mehrheit finden für eine dauerhaft bezuschusste Bahn. Hier im Forum bestimmt, aber nicht draußen im „Rest der Welt“. Davon bin ich überzeugt.
Horst Heinrich
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Horst Heinrich »

Ich kann und will nicht auf jedes Detail der letzten Antwort von Rolf eingehen - hier fände ansonste wieder der übliche Diskurs zwischen dem Betriebswirten und dem Volkswirten statt.
Nur zwei nachweislich falsche Aussagen möchte ich kommentieren.
Öffentlicher Personenverkehr ist in einer sozialen MAWI immer eine staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und kann nicht von einer Kostenkalkulation abhängig gemacht werden. Dann dürfte es nur noch auf 8000 km Schienenverkehr geben.
Der arbeitende A-8-Bundesbahnbeamte ist um einiges günstiger als der Hartz-IV-Empfänger.
Der eine vollbringt eine vielfältige Wertschöpfung, der andere zehrt sie auf.
Im übrigen kostet der Beamte bis zum Lebensende Geld, je länger er dafür arbeitet,auch an einer defizitären Strecke, desto besser der Gesamtsaldo. Das ist keine ABM, sondern einfach nur konsequent.
Als Halbschweizer, der hier 7 Jahre gelebt hat, muß ich auch der Aussage widersprechen, die Schweiz leiste sich eine Bundesbahn mit Beamten, weil sie reich ist.
Der Schweizer (Bahn-)Beamte ist ganz einfach ein Erfolgsmodell und Markenzeichen:
Umfassend ausgebildet und versiert, treu, zuverlässig, engagiert und verantwortungsbewußt, bis in die kleinste Hochgebirgsstation. Jeder kann es auf den Reisen mit Schweizer Zügen sehen: Hier identifiziert man sich voller Stolz mit seiner Lebensstellung, in Deutschland macht fast jeder nur miesgelaunt seinen "Job" und schon mit 30 hat manch ein Deutscher Bahner die Schnauze voll. Was ist das für eine Einstellung in der Dienstleistungsbranche?
Die alte Bundesbahn krankte nicht an den Beamten im einfachen und mittleren Dienst, denn die haben ihren Dienstposten geliebt und für relativ wenig Geld den ganzen Laden geschmissen. Die Taugenichtse saßen -wie heute noch- zwei Etagen oben drüber und haben sich von der produktiven Arbeit anderer miternährt ohne etwas Brauchbares zu leisten..
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
Rolf
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Rolf »

Horst Heinrich hat geschrieben:...Öffentlicher Personenverkehr ist in einer sozialen MAWI immer eine staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und kann nicht von einer Kostenkalkulation abhängig gemacht werden. Dann dürfte es nur noch auf 8000 km Schienenverkehr geben.
Den ersten Teil der Aussage kann ich mittragen, der Staat muss einen gewissen Standard garantieren, Horst Heinrich nennt es Daseinsvorsorge. Den zweiten Teil der Aussage teile ich ganz und gar nicht. Die Daseinsvorsorge um jeden Preis kann und darf es nicht geben. Irgendwo muss das Ganze auch noch bezahlbar und damit begrenzt bleiben. Und genau wegen der ausufernden Kosten bei gleichzeitig sinkender Nachfrage sah man damals keinen anderen Weg als über Stilllegungen Kosten zu sparen, was ja letztendlich auch funktioniert hat. Das Defizit der Bahn wäre sonst noch viel größer gewesen.
Horst Heinrich hat geschrieben:...Der arbeitende A-8-Bundesbahnbeamte ist um einiges günstiger als der Hartz-IV-Empfänger. Der eine vollbringt eine vielfältige Wertschöpfung, der andere zehrt sie auf.
Im übrigen kostet der Beamte bis zum Lebensende Geld, je länger er dafür arbeitet,auch an einer defizitären Strecke, desto besser der Gesamtsaldo. Das ist keine ABM, sondern einfach nur konsequent.
Ich nehme mal an, dem liegt die weiter oben geäußerte These zu Grunde, die Beamten seien in den Vorruhestand geschickt worden (wodurch sie für die Wertschöpfung wegfielen). Nach meinem Kenntnisstand sind die Beamten aber i. d. R. nur auf andere Dienstposten versetzt worden, nicht in den Ruhestand. Die Personalreduzierung bei der DB lief weitgehend "ohne betriebsbedingte Kündigungen" ab, wie man heute sagen würde. Man hat einfach weniger Leute eingestellt als pensioniert wurden. Mein Vater war eine Zeit lang für Einstellungen zuständig. Wenn Personal eingespart werden musste, wurde weniger Nachwuchs eingestellt. Der Beamte, der zuvor an einer defizitären, stillgelegten Strecke tätig war, hat dann einfach an anderer Stelle im Konzern zur Wertschöpfung beigetragen.

Ich wehre mich auch dagegen, die Schuld auf die Führungskräfte in der DB zu schieben. Die Vorgaben hat einzig die Politik gemacht, und das ist bis heute so. Der politisch gewollte Ausbau der Straße und die Vernachlässigung der Bahn hat dazu geführt, dass die DB (bisweilen sicher etwas unsystematisch und planlos) schrumpfen musste, damit das Defizit nicht weiter ausufert. Der Druck war damals enorm, wie mir mein Vater oft erzählt hat. Selbst der Bahnchef musste sich diesem Primat der Politik beugen, die nachgeordneten Beamten sowieso, egal wie weit oben sie standen. Und selbst der vielgeschmähte Herr Mehdorn hat im Prinzip nichts anderes getan, als den Willen des Bahneigentümers umzusetzen, nämlich den des Bundes, der der Eigentümer ist.
Westeifelbahner

Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Westeifelbahner »

Wir sind mal wieder in eine Grundsatz-Diskussion gerutscht, die wir auch schon mal in einem anderen Thread diskutiert haben. Deshalb wollte ich mich eigentlich nicht wieder einklicken, da mir der vorletzte Beitrag von Horst Heinrich auch aus der Seele gesprochen hab. Aber:
Rolf hat geschrieben: Den ersten Teil der Aussage kann ich mittragen, der Staat muss einen gewissen Standard garantieren, Horst Heinrich nennt es Daseinsvorsorge.
Das nennt nicht nur Horst Heinrich so, sondern die Daseinsvorsorge steht im Gesetz.
Rolf hat geschrieben: Den zweiten Teil der Aussage teile ich ganz und gar nicht. Die Daseinsvorsorge um jeden Preis kann und darf es nicht geben. Irgendwo muss das Ganze auch noch bezahlbar und damit begrenzt bleiben. (...) Die Personalreduzierung bei der DB lief weitgehend "ohne betriebsbedingte Kündigungen" ab, wie man heute sagen würde. Man hat einfach weniger Leute eingestellt als pensioniert wurden.
Ja, das klingt immer sozialverträglich, aber ist es nicht. Man hat die sozialen Einschnitte lediglich von der Generation, die zum Zeitpunkt der Stillegung bei der Bahn war, auf die nachfolgende Generation verschoben. Wie so oft... "Einfach weniger Leute einzustellen" bedeutet, dass Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze wegfallen. Ich erlaube mir hier sogar von sozialen Kosten zu sprechen, die dadurch entstehen, wenn junge Menschen keine Perspektive und keine "sichere Existenz" mehr wahrnehmen.
Horst Heinrich hat bereits weitere Fälle aufgezählt und das trifft den Nagel auf den Kopf. Es geht natürlich nicht nur um die Bahn, sondern auch um die Post oder andere ehemalige Bundesbetriebe. In manch einer Stadt fallen diese Arbeitsplätze vielleicht nicht so auf, aber in ohnehin dünn besiedelten Dörfern haben diese Ausbildungs- und Arbeitsplätze viel ausgemacht.

Und hier ist ein ganz entscheidender Aspekt zu berücksichtigen: Nahverkehr ist nicht eigenwirtschaftlich. Das ist ein Irrglaube, welchen die Politik Gott sei Dank inzwischen erkannt hat. Deshalb führt auch der Vergleich zwischen der Bahn und der DDR-Planwirtschaft vollkommen am Ziel vorbei: Es geht nicht darum, dass der Staat die Betriebe organisiert, welche eigenwirtschaftlich überleben könnten und deren Wirtschaftskalkulationen übernimmt. Es geht darum, dass ein Unternehmen (die Bahn) vom Staat abhängig ist, ohnehin auf Steuergelder angewiesen ist, der Staat diese als Daseinsvorsorge für seine Bürger zahlt und dann das Unternehmen nicht "um jeden Preis" seine Bilanz bereinigen soll, sondern auch das volkswirtschaftliche Wohl im Blick behalten muss. Ich als Steuerzahler würde mich mehr freuen, wenn ich dafür eine qualitativ hochwertige Bahn und viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze erhielte als Eisenbahnunternehmen als Auftragnehmer, die sich über Gewinne freuen.
Rolf hat geschrieben:Ich wehre mich auch dagegen, die Schuld auf die Führungskräfte in der DB zu schieben. Die Vorgaben hat einzig die Politik gemacht, und das ist bis heute so. Der politisch gewollte Ausbau der Straße und die Vernachlässigung der Bahn hat dazu geführt, dass die DB (bisweilen sicher etwas unsystematisch und planlos) schrumpfen musste, damit das Defizit nicht weiter ausufert. Der Druck war damals enorm, wie mir mein Vater oft erzählt hat. Selbst der Bahnchef musste sich diesem Primat der Politik beugen, die nachgeordneten Beamten sowieso, egal wie weit oben sie standen. Und selbst der vielgeschmähte Herr Mehdorn hat im Prinzip nichts anderes getan, als den Willen des Bahneigentümers umzusetzen, nämlich den des Bundes, der der Eigentümer ist.
Ich teile - wie in meinem ersten Beitrag geschrieben - durchaus die These, dass das Schicksal der Bahn eine bundespolitische Entscheidung ist.

Ich gehe aber einen Schritt weiter und sage: Auch das Defizit der Bahn ist eine bundespolitische Entscheidung. Würde die DB noch eine "Bundesbahn" sein und für jeden Ausbildungs- und Arbeitsplatz zumindest den Betrag vom Vater Staat erhalten, denn der Arbeitslose ansonsten den Staat kostet, wären mehr Arbeitsplätze vorhanden, aber das Defzit nicht größer.

Ehe wieder der Vorwurf der "rosaroten Brille" kommt (dann doch lieber das rosarote Bahnjahr!), erlaube ich mir ein Beispiel:

Projektbeschreibung: Das Eisenbahnunternehmen kann mit einer Investition in neue Signal- und Sicherheitstechnik zwei Personalstellen einsparen.

Wirtschaftlichkeit: Die Kosten belaufen sich auf einen Millionenbetrag, der auf 10 oder 15 Jahre abgeschrieben wird. Dann kommt man zu dem Ergebnis, dass man durch die jährlichen Abschreibungskosten etwa 1000, - EUR günstiger sind als die bisherigen Personalkosten. Also wird die Maßnahme durchgeführt, zwei Arbeitsplätze fallen weg und das Unternehmen spart jährlich 1.000, - EUR.
Demgegenüber hat der Staat zwei Arbeitsplätze weniger, zwei junge Menschen weniger eine Perspektive und es müssen - womöglich ein Leben lang - für zwei weitere Arbeitslose Sozialleistungen vom Staat gezahlt werden. Diese sind freilich höher als 1.000, - EUR im Jahr.

Ergebnis: Das Unternehmen verbessert seine eigene Bilanz, der Staat verschlechtert seine Bilanz. Wenn wir in der freien Marktwirtschaft wären, würde ich das noch nachvollziehen. Doch wenn das Unternehmen zu 100% dem Staat gehört, dann müssten ganz andere Kalkulationen aufgestellt werden.

Gruß aus der Westeifel
Horst Heinrich
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Horst Heinrich »

Rolf hat geschrieben:Ich nehme mal an, dem liegt die weiter oben geäußerte These zu Grunde, die Beamten seien in den Vorruhestand geschickt worden (wodurch sie für die Wertschöpfung wegfielen). Nach meinem Kenntnisstand sind die Beamten aber i. d. R. nur auf andere Dienstposten versetzt worden, nicht in den Ruhestand. Die Personalreduzierung bei der DB lief weitgehend "ohne betriebsbedingte Kündigungen" ab, wie man heute sagen würde. Man hat einfach weniger Leute eingestellt als pensioniert wurden. Mein Vater war eine Zeit lang für Einstellungen zuständig. Wenn Personal eingespart werden musste, wurde weniger Nachwuchs eingestellt. Der Beamte, der zuvor an einer defizitären, stillgelegten Strecke tätig war, hat dann einfach an anderer Stelle im Konzern zur Wertschöpfung beigetragen.
Gerade diese Annahme ist weitgehend falsch.
Innerhalb von nur 10 Jahren wurden rund 130000 Beamte von Post, Telekom und Bahn (davon rund 50000 der DB) mit oft manipulierten amtsärztlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen in den vorzeitigen Ruihestand verabschiedet.
Die Kosten für den Steuerzahler belaufen sich auf rund 3 Milliarden Euro jährlich
Ich persönlich kenne alleine 15 Fälle, davon 12, die an stillgelegten Strecken, in aufgelassenen Bw's, Nm's, Bm's etc. gearbeitet haben. Der Jüngste war 38, der Älteste 56.
Bisweilen wurde erheblich Druck gemacht ("Sie müßten ansonsten mit einer Versetzung in die neuen Bundesländer rechnen" usw.). Wer durchgehalten hat, wurde oft von den Kollegen verspottet: "Biste immer noch nicht daheim..."?
Und wer dann immer noch mit Freude zum Dienst ging, der bekam oft Depressionen wenn er den Verfall des einstigen Musterbetriebes machtlos mit ansehen mußte (geschlossene Schalter, verschmutzte Anlagen, verfallene Gebäude, gekappte Schienenstränge...)
Die "Sanierung" der Bahn war weder sozialverträglich, noch schonte sie das Volksvermögen, sie vernichtete es.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
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streckenläufer
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von streckenläufer »

Hallo!
Da das Thema mittlerweile mehr als OT geworden ist und hier (mal wieder) Grundsatzdiskussionen geführt werden, wollte ich mich nochmal konkret um die Strecke Ochtendung-Koblenz informieren:
Warum war bei der Stilllegung und Demontage nur das Stück Mayen-Ochtendung betroffen und der Rest blieb verschont?
Gab es in den 90er Jahren noch Gv nach Ochtendung oder Umgebung??

Grüße
streckenläufer
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KoLü Ksf
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von KoLü Ksf »

streckenläufer hat geschrieben:Hallo!
Da das Thema mittlerweile mehr als OT geworden ist und hier (mal wieder) Grundsatzdiskussionen geführt werden, wollte ich mich nochmal konkret um die Strecke Ochtendung-Koblenz informieren:
Warum war bei der Stilllegung und Demontage nur das Stück Mayen-Ochtendung betroffen und der Rest blieb verschont?
Gab es in den 90er Jahren noch Gv nach Ochtendung oder Umgebung??

Grüße
streckenläufer
erst einmal definitiv durch den maroden Hausener Viadukt. Es gab bis Mitte der 1980er Jahre noch Überlegungen, einen Gz-Betrieb bis Ochtendung zu unterhalten (ich meine im Zusammenhang mit der neuen Mülldeponie).

Daraus wurde - wie wir heute ja wissen - leider nichts. Es wäre sicherlich möglich gewesen (und ist es vermutlich heute noch) einen einigermaßen vernünftigen -sprich nicht zu hohen defizitären-Zugverkehr auf diesem Streckenteil zu bewerkstelligen. Andere Bahnstrecken wurden ja inzwischen auch wieder zu neuem Leben erweckt und scheinen sich auch (halbwegs) zu rentieren.
Westeifelbahner

Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Westeifelbahner »

KoLü Ksf hat geschrieben:Es gab bis Mitte der 1980er Jahre noch Überlegungen, einen Gz-Betrieb bis Ochtendung zu unterhalten
Die Zeit vergeht schneller als man es mitkriegt, aber ich meine, dass das Thema noch nicht so lange vorbei ist. Nach meiner Erinnerung hätte ich geschätzt, dass das noch bis Mitte der 90er Jahre ein Thema war. Zumindest habe ich da mal irgendetwas im Radio gehört.
Gruß aus der Westeifel
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KoLü Ksf
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von KoLü Ksf »

Westeifelbahner hat geschrieben:
KoLü Ksf hat geschrieben:Es gab bis Mitte der 1980er Jahre noch Überlegungen, einen Gz-Betrieb bis Ochtendung zu unterhalten
Die Zeit vergeht schneller als man es mitkriegt, aber ich meine, dass das Thema noch nicht so lange vorbei ist. Nach meiner Erinnerung hätte ich geschätzt, dass das noch bis Mitte der 90er Jahre ein Thema war. Zumindest habe ich da mal irgendetwas im Radio gehört.
Gruß aus der Westeifel
ja kann gut sein. Habe das Thema durch meinen Umzug nach Unterfranken 1985 nur noch am Rande mitbekommen. Deine Zeitangabe könnte richtig sein.
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Markus Göttert
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Markus Göttert »

Ich hab noch Bilder von 213 1990 in Ochtendung.

Zur der Zeit war der Kampf um die Strecke noch voll zu gange.

Gruss
Meine Facebookseite zum Thema Hunsrückbahn
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Marco Baurhenn
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Marco Baurhenn »

Horst Heinrich hat geschrieben: Und wer dann immer noch mit Freude zum Dienst ging, der bekam oft Depressionen wenn er den Verfall des einstigen Musterbetriebes machtlos mit ansehen mußte (geschlossene Schalter, verschmutzte Anlagen, verfallene Gebäude, gekappte Schienenstränge...)
Dazu brauch man kein Bahnbeamter zu sein, wenn man im System Eisenbahn mit Leib und Seele arbeitet und seinen Beruf als Berufung und nicht nur als Job sieht, ergeht es einem heutzutage genau so.
Schaut Euch doch die Ausschreibungspraktiken an, schaut Euch die Qualität der Neubaufahrzeuge an, es ist eine Bankrotterklärung für die deutsche Bahnindustrie, daß die neumodischen Fahrzeuge nicht ans Laufen kommen und deren Hintern von bis zu 50 Jahre altem Rollmaterial gerettet wird! Die einzigen Schäden und Mängel, den diese Fahrzeuge im Betrieb aufweisen, resultieren aus Wartungsmängeln, was auf den Sparwahn seitens der Plüschetage zurück zu führen ist.

Apropos Sparwahn... hier ein aktuelles Beispiel:
Daß DB Regio Südwest der knickigste RB der DB Regio AG ist, wurde ja schon mehrfach im Forum erwähnt und angesichts von Fahrzeugen, die im Gegensatz zu denen der anderen RB HU ohne Lack bekommen, sollte es auch den meisten schon optisch aufgefallen sein.
Nun hat man bei der DB einen Fahrzeugpool, wo jeder RB einen Obolus einzahlt um im Notfall auf Fahrzeuge anderer RB zugreifen zu können... DB Regio Südwest hat sich um Geld zu sparen daran nicht beteiligt.
Wie einigen sicherlich auch bekannt ist, wurden an der Ahr 2x 643 aus NRW eingesetzt, die eben aus diesem Fahrzeugpool stammen. Mit Wirkung 15.03.10 fährt nun ein Umlauf an der Ahr mit 218 und n-Wagen, eben weil das Budget für die Ausleihe der 643 erschöpft ist...hätte man in den Pool eingezahlt wären die 643 immer noch an der Ahr, man hätte sogar noch den ein oder anderen mehr bekommen...

Wie gesagt, wenn ich so etwas höre, dann stellen sich mir die Nackenhaare auf.
Wer bezahlt am Schluss die Rechnung?

Horst Heinrich hat geschrieben: Die "Sanierung" der Bahn war weder sozialverträglich, noch schonte sie das Volksvermögen, sie vernichtete es.
Zustimmung!
Gruss Marco

--------------------------------------------------------
http://www.DBMuseum-Koblenz.de
https://www.facebook.com/DBMuseum.Koblenz
Rolf
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Re: Ochtendung lebt !!!

Beitrag von Rolf »

Wenn ich nochmals auf die Ausführungen meiner geschätzten Vorredner @Horst Heinrich und @Westeifelbahner eingehen darf:

Daseinsvorsorge ja, aber nicht um jeden Preis. Irgendwo muss das Ganze auch „gedeckelt“ werden.

Frühpensionierung, da mag Horst Heinrich Recht haben, wurde früher gelegentlich als elegante Lösung praktiziert, wird heute aber viel restriktiver gehandhabt. Die "Zwischenlagerung" nicht gewollter Beamter in "Vivento" (Spitzname: „Wie-Wenn-Tot“) ist ein anderes Phänomen, das zeigt, welchen Wert die ehemaligen Staatsunternehmen (Post, Telekom) ihren Beamten beimessen. Stattdessen stellt man lieber Angestellte ein, um die Effizienz zu erhöhen. Das spricht Bände.

Ich habe selber als Schüler, später als Student in den Ferien (1980 und folgende Jahre) gelegentlich bei der Bundespost gearbeitet (als Zusteller). Das war ein sehr geruhsames Leben! Mir wurde von Kollegen, als ich meine erste Tour schon um 9.30 Uhr beendet hatte, nahe gelegt, nicht so schnell zu laufen, da ich dem urlaubenden Kollegen "sonst die Tour kaputt mache". Den Wink habe ich verstanden. Fortan habe ich unterwegs zwei Stunden Pause gemacht. Mir kam es bei der Bundespost ein wenig vor wie in der DDR. Gemütlich, kollegial, freundlich, aber nicht effizient. Damals hieß es, niemals könne die "gelbe Post" kostendeckend sein (wahrscheinlich auch wegen der Daseinsvorsorge), die unendlich teure "Kabelpost" (Telefon) müsse die Defizite auffangen. Das war das Credo. Heute arbeiten auf dem Postamt, wo ich damals aktiv war, noch zwei meiner alten Kollegen, der Rest sind neue Angestellte. Man sagt, dort wird jetzt doppelt so viel gearbeitet wie früher. Und das sogar noch mit 30% weniger Personal. Man mag das bedauern, aber immerhin, oh Wunder, schreibt die Post nun sogar Gewinne. Teilweise zwar auf Kosten des Services (teilweise ist er heute sogar besser als früher), aber nicht mehr auf Kosten des Steuerzahlers bzw. des Telefonkunden, der mit exorbitanten Telefonrechnungen den Wohlfahrtsbetrieb Bundespost finanziert hat. Wenn man dem Wähler anbieten würde, wieder für einen Euro (sorry: Mark) pro Minute ein Gespräch zwischen Köln und München zu bezahlen, und wenn das der Preis dafür wäre, die alte Bundespost wieder zu bekommen, würde man wahrscheinlich keine 5 Prozent der Wähler dafür gewinnen können.

Sehr viel anders wird es auch nicht bei der Bahn gewesen sein, auch wenn ich von meinem Vater noch gut in Erinnerung habe, dass er seiner gemütlichen Zeit als Bahnhofsvorsteher lange nachtrauerte, als es schon Mitte der 70er Jahre immer mehr Druck gab, die Effizienz des Betriebes zu steigern und er immer weiter zur Arbeit fahren musste, als immer mehr Dienststellen zusammengelegt wurden (die Bahn hatte ja keine Telekomsparte, um die Defizite zu kompensieren, so dass der Sparzwang bei der DB schon früher einsetzte als bei der Post). Mit der alten, sympatischen, aber ineffizienten Bahn könnte man heute keinen Blumentopf mehr gewinnen, da bin ich sicher. Und damals gab es zur Stilllegung einfach keine Alternative. Der Konzern war noch viel zu starr organisiert, um moderne Konzepte für den Betrieb von Nebenstrecken zu praktizieren. Mit den technischen Möglichkeiten und der Personalintensivität von damals war eine Strecke wie die von Ochtendung nach Mayen leider nicht zu retten. Vielleicht hätte es „vorausschauenderer“ Politiker ganz oben bedurft, aber die gab es halt nicht. Das Auto war für die breite Mehrheit Kult, die Bahn war dem Zeitgeist nach „Out“. Dementsprechend wurde ein unsystematischer Kahlschlag betrieben. Das bedauere ich auch, aber die Mehrheit wollte keine Eisenbahn, sondern Autobahnen. Dagegen war einfach nicht anzukommen.

Dann noch was zu den Arbeitsplätzen. Wie ich aber gerade erst vor wenigen Tagen im "Spiegel" lesen konnte, ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland trotz Wirtschaftskrise auch deswegen so niedrig (in Relation zu den anderen europäischen Staaten), weil der demographische Wandel inzwischen dazu führt, dass es in Deutschland jährlich etwa 100.000 Pensionierungen mehr gibt als Nachwuchs nachrückt. Das Problem der Arbeitslosigkeit wird daher in den nächsten Jahren geringer werden (Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/untern ... 05,00.html). Mein Bruder bildet Elektroingenieure aus: Die Absolventen werden ihm regelrecht aus den Händen gerissen. Und die Jugend, die m. E. gar nicht so schlecht ist, wird wegen dieses demographischen Wandels zunehmend glänzende Berufs-Perspektiven haben und muss gar nicht mehr mit A8 abwärts in einer Bahn geparkt werden, die als Arbeitsplatzreserve aufgebläht wird. Die „schlanke Bahn“ ist zwar viel weniger schön als die alte Bahn, und es tut auch mir weh, wie die Infrastruktur rückgebaut wird, aber ein Zurück zur alten Bahn in der heutigen Zeit halte ich für Träumerei.
Zuletzt geändert von Rolf am So 21. Mär 2010, 12:51, insgesamt 1-mal geändert.
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