Eisenbahnforum der Region Mittelrhein

Hallo zusammen,

unser User eta176, Hans-Peter, ist mit einer Frage zum Schwalheimer Viadukt an mich herangetreten. Diese möchte ich so gut es geht ausführlich beantworten.

"Schwalheimer Viadukt - noch nie davon gehört" werden jetzt sicher einige Leser/innen denken. Wem dieser Begriff nicht geläufig ist, braucht keine Angst vor einer riesigen Bildungslücke zu haben Beim Schwalheimer Viadukt handelt es sich um einen Eisenbahnbrücke, welches sich südlich des Bahnhofs Bad Nauheim an der Main-Weser-Bahn (KBS 630) befindet. Diese dient als Durchlaß für den Straßenverkehr von und nach Schwalheim. Bis heute ist es als gemauertes Bauwerk vorhanden. Seine Besonderheit: Es ähnelt in mit seinem Rundbogen dem Friedberger Rosentalviadukt.

Doch mit dieser Besonderheit ist am kommenden Freitag, 27.03.2009, nach rund 160 Jahren Schluß: Das Bauwerk wird abgerissen und durch eine neue, rechteckigen Stahlbetonbrücke ersetzt. Obwohl im Vorfeld bemängelt wurde, daß die alte Brücke für den Straßenverkehr zu schmal sei (was auch durchaus berechtigt ist), wird die neue Brücke nicht breiter sein, als die alte.







Nun liegt es an den Fotografen aus der Rhein-Main-Region, das Bauwerk wenigstes fotografisch für die Nachwelt zu erhalten. Die beiden oben zu sehenden Aufnahmen entstanden übrigens am 14.03.2009. Mehr Infos gibt's hier: http://www.fr-online.de/frankfurt_und_h ... nt=1695842& (Danke an Hans-Peter)

Leider wird bald wieder ein historisches Baudenkmal von der Bildfläche verschwinden

Traurige und nachdenkliche Grüße

Frank (Friedberger_Dampfesel)

Hallo Frank,
vielen Dank für die prompte Reaktion auf meine Nachricht. Ob das Bauwerk aber wirklich noch aus der Anfangszeit
der Main-Weser-Bahn stammt, möchte ich bezweifeln. Welche Gleise liegen da oben - neben denen von der MWB -
auf dem erhöhten Damm noch drauf?!?

Hallo Hans-Peter,

was tut man nicht alles für die Eisenbahn

Der erhöhte Damm war die ehemalige Zufahrt zum Güterbahnhof von Bad Nauheim. Das Geländer kannst Du auf dem ersten Bild links neben dem Ampelmast noch erkennen. Der Abzweig begann schon weiter südlich, etwa bei Kilometer 163. Heute befindet sich auf dem Gelände des Güterbahnhofs ein Gewerbegebiet

Dann wird die neue Brücke wohl nur noch in der Breite der beiden Streckengleise
erbaut und alles "Überflüssige", was daneben und darauf lag, abgegraben und ver-
schwinden?!? Ich glaube kaum, dass die DB noch einen Teil des alten Bogens, der
im hinteren Bereich ja eine wesentlich höhere Durchfahrtshöhe hat, stehen lässt.

So müsste es von oben aussehen (Querung in der unteren Bildmitte):
http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 6&t=k&z=17

Hallo Frank,

war das hintere, höher liegende Gleis wirklich ein Einfahrgleis? Ich meine, es war nur ein Auszieh- bzw. Berggleis.
Und zum Thema "Verbreiterung des Durchlasses" stand dieser Tage noch etwas Interessantes in unserer Tageszeitung. Dort wurde auf die Bauarbeiten und resultierende Fahrplanänderungen hingewiesen und im Artikel auch darüber berichtet, warum der neue Durchlass nur so breit, d.h. schmal, wie der alte wird. Die Bahn will erneuern und macht das in dem Standard, den das alte Bauwerk hat. Einwendungen/Anregungen verschiedener Stellen auf Verbreiterung beantwortete die Bahn mit Verweis auf die sich ergebenden Mehrkosten und die Frage, wer die denn übernehmen würde... Und jetzt wissen wir alle, warum der neue Durchlass nicht breiter wird.

Hallo Klaus,
da sieht man wieder mal, mit welch "hanebüchenen" Argumenten die Deutsche Bahn agiert

Die neue Brücke wird doch wohl nur noch halb oder ein Drittel so breit wie der alte Durchlass?!
Wenn der Denkmalschutz das Bauwerk unter Schutz gestellt hätte, wären der DB höhere Kosten
für Erhaltung und Sanierung entstanden.
Der jetzige Freibrief erspart der "Besten Bahn" damit jede Menge Geld, das dann in eine größere
Durchlassbreite hätte investiert werden können. Es ist mir ein Rätsel, wie sich die Kommunen mit
der Weigerung der DB abfinden konnten und dies nicht auf dem Rechtsweg versucht haben. Ich
vermute mal, die DB hätte vor Gericht den Kürzeren gezogen.

Begriffe, die aus unserer Sprache verschwinden: Hanebüchen

Hallo Klaus,

möglicherweise war das besagte Gleis auch nur ein Ausziehgleis, allerdings läßt der relativ breite Grünstreifen neben dem heutigen Hauptgleis vermuten, daß das Gleis früher als Einfahrgleis für Güterzüge aus Richtung Süden genutzt wurde. Mangels eines historischen Gleisplans kann ich darüber aber nur spekulieren. Fest steht nur: Es diente dem ehemaligen Güterbahnhof.

Hast Du oder hat sonst jemand vielleicht mal ein Bild vom Bad Nauheimer Güterbahnhof gemacht? Würde mich sehr interessieren, wie es dort aussah Ich hatte immer das Pech, daß die historische Infrastruktur der alten Bundsbahn schon Geschichte war, als ich mit dem Fotografieren anfing

Heute, 31.07. hat die DB Pressestelle folgende PM herausgegeben:

Eisenbahnüberführung in Bad Nauheim wird für 2,3 Millionen Euro erneuert
Salinenstraße in Schwalheim ab Montag gesperrt . Hilfsbrückeneinbau am zweiten Augustwochenende

Die Eisenbahnüberführung an der Salinenstraße (Kreisstraße 175) in Bad Nauheim-Schwalheim wird von der Bahn
komplett erneuert. Dazu wird in den kommenden Monaten eine neue Brücke an der Stelle der alten Überführung
errichtet. Für die Bauzeit muss die Salinenstraße ab Montag, 3. August, aus Sicherheitsgründen für den Straßen-
und Fußgängerverkehr gesperrt werden. Die Umleitung wird örtlich ausgeschildert. Der Zugverkehr wird durch die
Bauarbeiten nicht beeinträchtigt. Insgesamt investiert die Bahn 2,3 Millionen Euro in den Neubau.

Die weiteren Arbeiten beginnen am Montag, dem 3. August, mit der Vollsperrung der Salinenstraße im Bereich
der Brücke und den Vorbereitungen für den Hilfsbrückeneinbau am darauffolgenden Wochenende (8. bis 10.8.).
Damit der Schienenverkehr ungehindert weiterlaufen kann, wird das neue Bauwerk unter zwei je 47 Tonnen
schweren und 19,7 Metern langen Hilfsbrücken errichtet. Am Samstagmorgen, dem 8. August, wird dann von
3.40 bis 6.40 Uhr der Einbau der Hilfsbrücken vorbereitet. Ab Samstagabend, 19.15 Uhr, bis Montag, 10. August,
5 Uhr, werden dann die Hilfsbrücken eingebaut, über die der Zugverkehr laufen wird.

Danach kann der Abbruch der alten Brücke beginnen. Das neue Bauwerk wird nur noch zwei statt drei Gleise
tragen und wird dementsprechend kleiner als das bestehende Bauwerk. Die neue Eisenbahnüberführung wird als
unten offener Stahlbetonrahmen gebaut, das alte Bauwerk besteht aus einem gemauerten Gewölbe. In den bis-
herigen Sperrpausen konnten die geplanten Arbeiten nicht gänzlich umgesetzt werden.
So wurde im Baugrund eine bisher nicht bekannte Packlage von Basaltsteinen angetroffen, die die Gründungs-
arbeiten für die Hilfsbrücken massiv erschwert haben.
Dennoch wird der geplante Fertigstellungstermin im März 2010 dadurch nicht gefährdet.

Schaut mal hier (Plan Bad Nauheim 1986):

http://sporenplan.nl/figuren/tekeningen ... eim-86.jpg

Laut diesem Plan war das besprochene Gleis also tatsächlich "nur" ein Ausziehgleis.

Hallo zusammen,

hier ein paar aktuelle Eindrücke vom Fortschritt des fragwürdigen Neubaus des Schwalheimer Viadukts. Los geht es am 09.08.2009, als die Hilfsbrücke eingebaut wurde.


Hier die Gesamtsituation von Bad Nauheim aus gesehen.


Der mächtige Autokran en detail.


Und hier das Ganze von der Schwalheimer Seite mit dem zweiten Autokran, leider bei starkem Gegenlicht...

Eine Woche später, am 16.08., war der alte Steinbogen nach wie vor vorhaden.


Hier wiederum die Ansicht von Bad Nauheim. Viel hat sich seit dem (zum Glück!) noch nicht getan.


Und wie es so üblich ist, wartet am lange Zeit vergebens auf einen Zug, um ebendiesem auf der alten Brücke zu fotografieren. Kurz nachdem ich die Fotostelle verlassen hatte, rollte natürlich die RB nach Friedberg mit der 110er an, sodaß mir nur dieser Notschuß blieb.

Friedberger_Dampfesel hat geschrieben:

Beschäftigt die DB Netz AG jetzt schon eine eigene Kranflotte auf der Straße ??
Aufgrund der Farbgebung könnte man es glauben

Danke Frank für die interessante Dokumentation!

Artikel aus der "Gießener Allgemeine" vom 07.08.2010:

Neue Bahnbrücke: Lärm wird berechnet

Seit die neue Eisenbahnbrücke steht, ist die Lärmbelastung gestiegen – diese Klage von Schwalheimer Bürgern wird
im Regierungspräsidium Darmstadt ernst genommen. Das versichert der Sprecher der Behörde, Gerhard Müller. Auf-
grund der Beschwerde der Anlieger – 165 hatten einen Brief an das Präsidium unterzeichnet – werde die Dezibelzahl
berechnet, die beim Zugverkehr auf der Main-Weser-Linie an dieser Stelle entsteht.
Die Bahn AG hatte das alte Basaltstein-Viadukt im letzten Jahr abreißen lassen und durch einen Stahl-Beton-Neubau
ersetzt ...

http://www.giessener-allgemeine.de/Home ... id,75.html

Ergänzung vom 22.08.2010:
Die Aufnahme zeigt, dass es mit dem Neubau der wesentlich kürzeren Straßenunterführung zu einer Verschlech-
terung der Lärmschutzfunktion gekommen ist. Im alten Zustand bildete der Damm eines ehemaligen Gütergleises
und der dichte Bewuchs zur Ortsseite einen sehr effektiven Schutz.

Aus welchem Grund das EBA in diesem Fall nicht auf die Schaffung eines gleichwertigen Ersatzes, z.B. in Form einer
Lärmschutzwand in der neu entstandenen Lücke, bestanden hat, ist mir nicht ganz klar. Eine Ortsbesichtigung hat
es offenbar nicht gegeben ?!?





edit: Fotos aus aktuellem Anlass neu hochgeladen