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Plädoyer Hunsrückbahn:RÜCKWÄRTS BLICKEND VORWÄRTS SCHAUEN

Verfasst: Do 19. Mär 2009, 23:15
von Horst Heinrich
Der Bürgermeister von Hermorbüch im Thal

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, werte Koilleginnen und Kollegen,
wann immer man in den letzten Wochen das Thema Hunsrückbahn ins Gespräch bringt,
erlebt man erstaunlicherweise überwiegend positive Einstellungen.
Dieses eiserne Band der Erinnerung verbindet immer noch -auch 33 Jahre nach Einstellung des Personenverkehrs- viele Menschen miteinander: Der eine fuhr einstmals mit dem Zug zur Lehre, der andere zur Arbeit (zum Teil bis ins Saarland), wieder andere haben noch die vollbesetzten Schülerzüge in Erinnerung, den Jux und die Dollerei unter den Augen der gestrengen oder auch gut gelaunten Zugbegleiter, Güterzüge haben uns Jahrzehnte Saatgut, Düngemittel und Brennstoffe auf die kargen Höhen gebracht und den kleinen Urquell unseres bescheidenen Reichtums, das Holz abgefahren.
Manch einer verließ im Zug die Heimat und kam nicht mehr zurück. Für andere -etwa in Hinzert-Pölert- war es in umgekehrter Richtung auch ein Zug in den Tod.
Bekanntschaften wurden in der Bahn geknüpft, gelöst und durch andere ersetzt.
Bei den Dorffesten war man froh, daß es den Zug gab, wie wäre man denn sonst von den vielen vielen urig-deftigen Kerwe gesund heimgekommen? Wohl kaum auf eigenen Beinen, geschweige denn mit dem Auto.
Die Bahn war auch ein wichtiger Arbeitgeber. Beamte, Angestellte, Arbeiter, in Glanzzeiten
über 3000 Menschen zwischen Simmern und Hermeskeil. Noch heute profitieren hunderte
von Hunsrücker Familien von diesen Eisenbahnern: Sie haben ihren Kindern und Kindeskindern Häuser gebaut und ihnen einen guten Start ins Leben verpaßt und auch heute noch wandert ganz selbstverständlich mancher schwer verdiente Hunsrückeisenbahnergeldschein in das Portemonnaie der Enkelkinder.
Umverteilung einmal anders.
Sang- und klanglos sind alle diese Arbeitsplätze verschwunden, 200 000 bundesweit in 30 Jahren. Zum Vergleich: Um nur ein paar hundert Arbeitsplätze zu retten, für wie lange, frage ich mich? fährt unser Wirtschaftsminister nach Amerika. 200 000 Eisenbahner - welcher Hahn hat nach ihnen gekräht, nach ihren Enttäuschungen, den zerstörten Lebensplanungen, nach ihren langen Anfahrtstrecken zu den neuen Arbeitsplätzen?
Irgendwie hat man sich auch an vollgestopfte, zum Teil bedenklich altersschwache Schulbusse anstelle der geräumigen Schienenbusse gewöhnt und an Schwerlastzüge, die ihre 40 Tonnen
mit durchschnittlich 45 Stundenkilometern die Hunsrückhöhe hinauf- und 30 nachfolgende Fahrzeuge im Stau hinter sich herziehen. Dazwischen -weil ja kein Zug fährt- dann unsere Kinder und Jugendliche mit
ihren Fahrrädern, Mopeds und Rollern als schwächste Glieder dieser Blechlawine auf dem Weg zu Schule,zur Lehrstelle oder ins Schwimmbad, als potentielle Opfer jedes genervten Überholvorganges.
Wenn ich diese ganzen Facetten, die das Verkehrsgeschehen unserer Region prägen von außen zugetragen bekomme, immer mit der Frage verbunden "ob man da nicht endlich mal was machen könnte" dann denke ich immer sofort an dieses eiserne Band, das sich vom Saarland kommend sanft hinauf in den Hunsrück schlängelt.
Die meisten bedauern, daß hier kein Zug mehr fährt und fast alle Menschen, mit denen ich sprach, wünschen sich die Bahn zurück.
Und nun haben wir die einmalige Gelegenheit dazu, sie zurückzuholen, sie langfristig für uns zu sichern und in die Hand derer zu geben, die sie brauchen und sie unabhängig zu machen von Entscheidungen einer 700 Kilometer entfernten Konzernzentrale.
670000 Euro sollen diese rund 70 Kilometer Strecke kosten.
Das ist ungefähr soviel, wie 670 Meter Autobahn oder Bundesstraße kosten.
Oder man bekommt dafür ein Viertel einer Ortsumgehung, oder auch die Hälfte eines Dorfgemeinschaftshauses.
670000 Euro rund gerechnet, das sind aber auch zur Hälfte die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten, die ein einziger Verkehrstoter nach sich zieht.
Nicht daß Sie mich falsch verstehen.
Man kann ein Menschenleben nicht mit Geld aufwiegen, wohl aber kann man Menschenleben mit Geld schützen.
Und eine leistungsfähige Schienenstrecke, die Verkehr von unseren Straßen nimmt, ist nicht nur ein Schutz des Lebens, auch der Umwelt.
Aporopos Umwelt.
Wenn man sich einmal über google-Earth durch unsere Region klickt, dann ist die Hunsrückbahn kaum zu erkennen. Schon regelrecht ökologisch schmiegt sie sich sanft an Höhenzüge, schlängelt sich in nur rund 4 Metern Breite durch unsere Wälder, überquert auf architektonisch gelungenen Kunstbauten die Täler und führt dezent durch unsere Orte.
Ein vollbesetzter Schienenbus mit 60 Insassen- er fiele so gut wie nicht auf. Innerhalb von zwei Minunten fährt er ins Dorf ein, hält und ist auch schon gleich wieder verschwunden.
Stellen Sie sich 60 Touristen in durchschnittlich 40 Autos vor, wenn sie nach Deuselbach, Morbach, Hochscheid oder Büchenbeuren kommen um von dort zu ihren Touren aufzubrechen. Es gäbe -vor allem in Wohngebieten- zu recht einen Sturm der Entrüstung.
Schließlich sind unsere Dörfer in erster Linie Lebensraum und keine Parkplätze.
Und doch brauchen wir die Touristen - ihre Autos aber wollen wir nicht.
Ein unlösbarer Konflikt? Die Bahn könnte das eine, den Tourismus, erschließen, und das andere, die Blechlawine, verhindern.
Für 670000 Euro haben wir nun die Chance, diese Bahn für uns zu gewinnen.
Die Hochwaldbahn steht als zuverlässiger Betreiber in den Startlöchern.
Vom Tourismuszug bis hin zum Gütertransport - innerhalb einer Stunde steht ein Zug da, wo wir ihn hinhaben wollen.
Der Förderverein Hunsrückbahn gewährleistet durch seinen Bahnunterhaltungsdienst auch an Wochenenden einen sicheren und reibungslosen Zugverkehr. Auch unter der Woche sind die Frauen und Männer in ihren orangenen Jacken und ihrem gelben Bauzug in den Dörfern gern gesehen und in der Regel gibt es nette Kontakte vom Garten zum Gleis, möchte ich einmal sagen.
Auch für den Ausbau der touristischen Erschließung stehen uns bei Hochwald- und Hunsrückbahn kompetente Ansprechpartner zur Seite.
Unsere Wünsche und Ideen können in die Gestaltung der Fahrpläne einfließen und und und.
Rund 24000 Menschen zwischen Hermeskeil und Büchenbeuren leben unmittelbar in Orten mit einem Gleisanschluß.
Würde man den Kaufpreis der Strecke auf die unmittelbaren Anlieger umlegen, jeder hätte rund 29 Euro zu zahlen.
Zählt man die Einwohner der angrenzenden Verbandsgemeinden und Gemeinden mit, die einen Vorteil von der Strecke hätten, sind das -zwischen Hermeskeil und
Büchenbeuren- 10 Euro je Einwohner.
10 Euro, der Wert eines Kastens Bier oder eines Abendessens.
Dafür bekomme ich nicht mal eine gute Aktie.
Nicht mal eine anständige Hose.
Aber dafür bekommen wir eine Bahnstrecke vor unserer Haustür - und die Generationen nach uns werden uns dankbar sein, daß wir sie erhalten haben.
Nicht nur -im guten wie im traurigen Sinne- als nostalgische Reminiszenz
Vielleicht auch als ein Stück Daseinsvorsorge, denn wir können alle nicht ahnen, was die Zukunft bringt. Wissen Sie noch? Der Liter Benzin hat ja vor nicht allzu langer Zeit auch mal 1,60 Euro gekostet. Damals erlebten die Bahnstrecken einen regelrechten Fahrgastansturm und die Forderung wurde laut nach einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.
Wir alle werden immer älter, das ist bekannt.
Wir können aber nicht wissen, ob eine älter werdende Bevölkerung auch künftig noch in der Lage ist, am Straßenverkehr teilzunehmen. Der Triebwagen vor der Haustür könnte da schon eine interessante Option sein.
Wie auch immer, ob man Nostalgiker, Realist oder Visionär ist - jeder, der sich mit dem Thema Hunsrückbahn ernsthaft beschäftigt, wird Argumente für ihren Erhalt finden.
Mit 10 oder 29 Euro sind Sie dabei.
Meine Damen und Herren: Hier liegt mein Anteil - ich hoffe, er bekommt bald Gesellschaft.

Ihr Walter Hoffmers-Beste
Bürgermeister