Die Ww Zeitung berichtete in der Ausgabe vom 17.01. über die Anschlußbedienungen rund um Neuwied:
Bahngleise erzählen Industriegeschichte
Als Bimssteine noch per Zug auf die Reise gingen - Zurückgebaute Bahnübergänge im Gewerbegebiet waren Relikte des längsten Privatbahnanschlusses
Ein zurückgebauter Bahnübergang im Neuwieder Gewerbegebiet Distelfeld war Zeuge eines Abschnittes der Industriegeschichte. Zu den Hochzeiten der Bimsindustrie wurden auf diesen Gleisen unzählige Bimssteine verladen und auf die Reise geschickt. Jürgen Moritz hat in diesen Abschnitt der Neuwieder Stadtgeschichte geblickt.
NEUWIED. Es war nur eine Information, die vor Kurzem ankündigte, dass zwei Bahnübergänge im Neuwieder Gewerbegebiet Distelfeld zurückgebaut werden. Mit diesem Rückbau ging ein Abschnitt Neuwieder Industriegeschichte zu Ende, der bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und mit dem Namen Friedrich Siegert, einem bedeutenden Unternehmer der Stadt, eng verbunden ist. Beigeordneter Jürgen Moritz, heimatgeschichtlich interessiert, hat zurückgeschaut:
Anfang der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts war Ferdinand Siegert als Geschäftsführer in die Firma Friedrich Remy Nachfolger eingetreten. Der Betrieb, der sich der Produktion von Bimssteinen widmete, hatte damals am Bering, in der Nähe des Neuwieder Güterbahnhofes, seinen Sitz. Im Jahre 1884 übernahm dann Sohn Friedrich, der zu einem Pionier der rheinischen Bimsindustrie werden sollte, das Unternehmen. Schon bald erkannte Friedrich Siegert, dass das Gelände am Bering der stetig wachsenden Firma keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr bot. Er fand daher einen neuen und zukunftsfähigeren Standort, wo sich die Gemarkungen von Heddesdorf, Gladbach und Heimbach treffen. Die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte gab ihm recht. Das Wachstum der Firma an ihrer neuen Produktionsstätte war aber auch darauf zurückzuführen, dass sie das ständig größer werdende Eisenbahnnetz in Deutschland nutzen konnte. Denn erst die Eisenbahn machte es möglich, neue und auch weit entfernt liegende Absatzmärkte für Schwemmsteine zu erschließen.
Die Steinverladung auf die Waggons der Staatsbahn erfolgte zunächst nahe der Hauptbahntrasse. Bereits im Jahr 1889 entstand dann ein normalspuriges Anschlussgleis ins Fabrikgelände, um die direkte Verladung der Bimssteine in der Nähe der Trockenplätze zu ermöglichen. Im Jahr 1897 wurde der Bahnanschluss erheblich verlängert und gemeinsam mit der Firma Jos. Raab & Cie. GmbH ein mehrere Kilometer langes Anschlussgleis durch die Gemarkungen von Heimbach und Gladbach bis an den Fuß des Heddesdorfer Berges geführt.
Noch heute findet der Spaziergänger an einigen Stellen Relikte dieses neben der Kleinbahn Neuwied-Augustental längsten privaten Gleisanschlusses auf dem Gebiet der heutigen Stadt Neuwied.
Zu Beginn der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts belief sich der Jahresumschlag auf dieser Anschlussbahn inklusive der Nebenanschlüsse auf ca 300.000 Tonnen. Im Laufe mehrerer Jahrzehnte dürften es viele Millionen Tonnen Bimssteine gewesen sein, die von den Firmen Remy, Raab und weiteren Anschlussnehmern dort verladen worden sind.
Zeitweilig wurde sogar darüber diskutiert, dieses Gleis bis nach Heimbach weiterzuführen, um so die Verladung von Bims und Bimsprodukten der zahlreichen Heimbach-Weiser Bimsfabriken vor Ort zu ermöglichen und so die lange Anfahrt zum Engerser Güterbahnhof, dessen Verladekapazitäten zeitweilig fast erschöpft waren, einzusparen. Selbst eine Anbindung an die einst geplante, aber nie realisierte "Sayntalbahn" wurde in Erwägung gezogen.
Einen Bahnhof erhielt der Stadtteil Heimbach-Weis nie, und der einzige Zug, der dort bis heute verkehrt, ist der "Veilchendienstagszug". Nur die schmalspurigen Bimsbähnchen streiften Heimbach immerhin einige Jahrzehnte lang auf ihrer beschaulichen Fahrt aus dem "Kisselloch" in die Fabrik.
Westerwälder Zeitung vom 17.01.2009, Seite 24
Das Bild mit der 91 aus dem Bw Engers:
http://epaper.rhein-zeitung.de/09/01/17 ... f72ed.html
Die Übersicht:
http://epaper.rhein-zeitung.de/09/01/17 ... ca3aa.html