Hallo Allerseits,
heute nehme ich Euch mit auf die Freien-Grunder Eisenbahn, einem Betriebsteil der Siegener Kreisbahn.
Der Text war schon einmal, mit anderen Bildern, im FREMO-Hp1 (der Vereinspostille) veröffentlicht.
März 1987, ein Montagmorgen in Herdorf, FGE. Durch's Naßkalte stolpere ich vom Auto zum Lokschuppen. Seit Januar bin ich als Ersatz für einen erkrankten Kollegen zur FGE abgeordnet. Hier in Herdorf, ca. 20 Kilometer von Siegen entfernt, gehen die Tätigkeiten eines Lokführers über „das Übliche" hinaus: Kleine Reparaturen an den Loks, allgemeine Unterhaltungsarbeiten an den Bahnanlagen, Beschaffung von Diesel und anderen Betriebsstoffen sowie die daraus resultierenden Büroarbeiten. Die Werkstatt in Siegen ist "weit weg".
Zwei Lokführer teilen sich die Arbeit bei wöchentlich wechselndem Dienst. Schicht 1 ist der eigentliche Fahrdienst, ein "langes Brett" von morgens 6:30 Uhr bis 17:30 Uhr am Nachmittag mit einer 2-stündigen Pause zur Mittagszeit.
Zum Glück habe ich in dieser Woche die kurzen Schicht 2: Vorbereitungsdienst an der Streckenlok, ggf. Schiebedienst nach Pfannenberg mit der zweiten Lok; ansonsten alle anfallenden Werkstattarbeiten. Dienstbeginn ist um 6:00 Uhr, Feierabend um 13:30 Uhr. Bei mehr als vier Wagen für die Fa. EMW (ein Unternehmen der Schäfergruppe) auf dem Pfannenberg kommt die Schiebelok zum Einsatz, da die R 42 C auf der steilen, ca. 4 km langen "Bergstrecke" nur 200 t ziehen darf. Bei voll ausgeladenen Taes oder Shis (ca. 80 t) also 2 1/2 Wagen.
Lok 18 vor dem Lokschuppen in Herdorf, im Hintergrund die Lok 17
Da die DB übers Wochenende dreimal Wagen zustellt wird montags eigentlich immer geschoben. Nun denn, also für den Dienst 1 die Lok 17 vorbereiten: Ölstände an Motor und Getriebe kontrollieren, Kühlwasserstand prüfen und und ein Blick in die Sandkästen; dann Motorschmieröldruck vorpumpen. Nachdem alles in Ordnung ist starte ich die Lok, führe die Bremsprobe durch und fahre die Lok 17 vor den Lokschuppen.
Inzwischen sind auch der Zugführer (die älteren Herren bestanden auf dieser Bezeichnung!) und der Rangierer eingetroffen. Mit dem mittlerweile ebenfalls anwesenden Dienst 1 fahren wir auf der Lok 17 in den Bahnhof, um uns bezüglich des Wageneingangs einen Überblick zu verschaffen.
Da die DB die Wagen Freitags abends in Gleis 2, Samstags früh in Gleis 3 und Montags morgens in Gleis 5 parkt, können wir durch Gleis 4 fahren und das Angebot sichten. Die Anzahl der Wagen für Pfannenberg läßt die Hoffnung auf einen ruhigen Vormittag schwinden: 8 Shis aus Oberhausen, 7 Taems aus Duisburg und 4 belgische Taes bedeuten 4 Fahrten Salchendorf - Pfannenberg. Da ja auch noch andere Anschließer bedient werden sollen, muß der Zug mit Köpfchen zusammen rangiert werden. Außer Pfannenberg bekommt die Fa. Capito, Werk I einen Hbc (salopp gesagt ein Gbs mit Stirntüren), ein Gos mit leeren Gitterboxen ist fürs Hansawerk bestimmt. Bedie Firmen haben einen gemeinsamen Anschluss am Streckengleis zwischen Struthütten und Neunkirchen, ein leerer Gbs wurde von der Fa. Baumgarten in Neunkirchen geordert. In Salchendorf wartet der Bahnmeister auf einen mit Schwellen beladenen Res. Außerdem hat SSI Schäfer in Salchendorf zwei Gos, vier Gbs, einen Hbis und zwei Tbis als Leerwagen angefordert.
Mit den beiden Stückgutwagen für die FGE in Salchendorf ergibt sich also die Anzahl von 34 Wagen, die bei 108 Achsen runde 1900 t an den Zughaken bringen. Während die Kollegen den Zug passend zusammenstellen, bereite ich die Lok 18 für die schwere Tour vor. So gegen 8:00 Uhr steht die Fuhre: Vorne die Lok 17, dahinter die Stückgutwagen für Salchendorf, dann der Res für den Bahnmeister, dahinter die 19 Pfannenberger. Die Wagengruppe für Schäfer, Salchendorf läuft vor dem Gbs für Fa. Baumgarten in Neunkirchen. Direkt vor der Lok 18 befindet sich letztlich der Gos fürs Hansawerk. Wer bis hierhin aufmerksam gelesen hat wird bemerken, daß der Hbc für Capito noch fehlt. Aufgrund der besonderen Verhältnisse in Anschluß Hansawerk / Capito Werk I kommt dieser Wagen an den Zugschluß, also hinter die Schiebelok.
Mein Kollege auf der 17 fährt zu diesem Zweck in Richtung Neunkirchen. Vor der Weiche 9 wird der Hbc abgehängt und er zieht über die Weiche vor. Nachdem der Rangierer die Weiche umgestellt hat fahre ich aus dem Lokschuppengleis ins Hauptgleis und, nachdem er die Weiche wieder zurückgelegt hat, zurück an den abgehängten Hbc. Selbigen ankuppeln, an den Gos fürs Hansawerk ranfahren, Schiebelok an den Zug kuppeln und Bremsprobe ausführen ist in wenigen Minuten geschafft.
Nun geht's los! Unter ständigem Läuten (ja, richtig gelesen - auch 1987 noch!) und Pfeifen geht es mit hart arbeitenden Loks in Richtung Neunkirchen. Erster Halt ist in Struthütten am Malscheider Weg. Der dortige Bahnübergang muß durch das Zugpersonal gesichert werden. In besserem Fußgängertempo geht es weiter, runde 1900 t sind für 880 PS der beiden Jungloks eben keine Kleinigkeit. Nächster Halt ist dann hinter der Weiche Hansawerk / Capito Werk I. Hier sichert mein Kollege mit der Lok 17 den Zug. Nachdem der Rangierer den Gos abgekuppelt und die Anschlußweiche umgestellt hat, fahre ich mit beiden Wagen ins Anschlußgleis. Zuerst stellen wir den Hbc an die Rampe der Firma Capito; nachmittags wird er wohl beladen sein und die Schicht 1 kann ihn bei der Nachmittagsfahrt mitnehmen. Danach fahren wir den Gos mit den beim Hansawerk schon dringend erwarteten Gitterboxen an die dortige Rampe. Nun geschwind ins Hauptgleis zurück an den Zugschluß. Normalerweise wird bei der Bergfahrt nur Capito bedient, aber mit der Schiebelok ist das Ganze ja auch so kein Problem. Außerdem spart es uns heute eine zusätzliche Bedienungsfahrt. Nachdem die Lok 18 wieder am Zug hängt und die Anschlußweiche in Grundstellung verschlossen ist fahren wir nach erfolgter Bremsprobe weiter nach Neunkirchen.
Hier stelle ich den Gbs für die Fa. Baumgarten - ebenfalls mit der Schiebelok - zu. Nach der Zustellung das schon beschriebene Procedere: Lok anhängen, Weiche in Grundstellung bringen und verschließen, Bremsprobe - und weiter gehts nach Salchendorf.
Mühsam erklimmen beide Loks die steile Rampe vor der Frankfurter Straße in Neunkirchen; etwas schneller läuft der Zug dann bis Salchendorf. Hier gehts jetzt richtig rund! Mit beiden Loks wird emsig rangiert. Während die Zuglok die Stückgutwagen und den Res für den Bahnmeister nach Gleis 4 zustellt, rangiere ich mit der Schiebelok die "Schäfer"gruppe nach Gleis 3. Anschließend rangiere ich die 2 Tbis in den "Anschluß Schäfer III" nach Gleis 7. Währenddessen stellt die Zuglok die restlichen Wagen ins "Schäfer'sche Zustellgleis". (Die Wagenverteilung im Werk erfolgt mit einem firmeneigenen Zweiwege-Unimog). Diese Manöver beanspruchen ca. 45 Minuten. Danach wird Pfannenberg bedient. 19 Wagen bedeuten 4 Fahrten "auf den Berg".
Wir setzen uns wieder an den Zug und nach der bekannten Prozedur fahren wir bis zur Abzweigstelle. Dort verteilen wir die Wagen auf beide Gleise. Jetzt geht es mit dem ersten Fünferpack nach Pfannenberg. Bis zur Spitzkehre fahre ich an der Spitze und dieZuglok schiebt; ab dort läufts dann umgekehrt. Im Betriebsbahnhof Pfannenberg wird die Zuglok abgekuppelt und fährt nach Gleis 2. Danach schiebe ich mit der Lok 18 die Wagen in die Halle.
Hier die Pfannenberger Hallen, allerdings mit Lok 17
Zwischenzeitlich fährt der Kollege mit seiner Lok an die Lok 18 und kuppelt an. Nach dem Anhängen der Wagen und Verschließen der Gleissperre geht's als Doppel-Lz zurück zur Abzweigstelle. Danach dasselbe Spiel von vorne. Unter Schieben und Ziehen quälen wir uns erneut läutend und pfeifend auf den Berg. Bei der dritten Tour sind dann schon leere Wagen mit ins Tal zu nehmen. Als wir nach gut 4 Stunden zum letzten Mal in der Abzweigstelle ankommen haben wir schon 12 leere Wagen wieder mit herunter gebracht.
Lok 18 mit belgischen Shis bei der Talfahrt von Pfannenberg
Die restlichen 7 Wagen nimmt dann die Nachmittagsbedienung mit. Wieder in Salchendorf angekommen, fahren der Zugführer und die Schicht 1 mit der Lok 17 und den Leerwagen sofort weiter nach Herdorf; dort werden sie die Wagen im DB-Bahnhof abstellen und ihre wohlverdiente Mittagspause machen. Der Rangierer und ich stellen unterdessen in Salchendorf die Stückgutwagen um, verwiegen in Gleis 7 die inzwischen beladenen Tbis und stellen den Res für den Bahnmeister wunschgemäß nach Gleis 8. Danach setzen wir um nach Gleis 1 und begeben uns ins Bahnhofsgebäude.
Ein kurzer Plausch mit dem Zugleiter ergibt keine weiteren Aufträge. Unter der Maßgabe, den Gos beim Hansawerk zu bezetteln, dürfen wir -da die Rückmeldung des voraus fahrenden Zuges vorliegt- bis zur Trapeztafel von Herdorf FGE fahren. Ein kurzer Halt beim Hansawerk unterbricht die Lz-Fahrt nach Herdorf. Über Funk erlaubt uns der Zugleiter nach Herdorf FGE einzufahren. Nachdem ich die Lok 18 im Lokschuppen abgestellt und betankt habe geht's nach Erledigung des Papierkriegs in Richtung Feierabend.
// Hartmut