Wenn man den Hunsrücker und Hochwälder verstehen will, muß man seine Geschichte, z.B. die der letzten 100 Jahre verstehen. Die Menschen hier sind grundsätzlich wenig initiativ, innovativ und noch weniger aufgeschlossen und alle wesentlichen, modernen Errungenschaften kamen von außen oder wurden von außen zugeführt.
So ging auch der Bau der Hunsrückbahnen vor allem auf industrielle und gewerbliche Initiativen zurück, weniger auf den Wunsch der Bevölkerung, die große weite Welt zu erkunden.
Noch vor 40 Jahren besaßen beispielsweise nur ganz wenige Leute rund um Morbach etwa im "Kirchspiel Kleinich" oder "hinner'm Wald" in der Kempfelder Ecke ein Telefon. Man verständigte z.B. den Tierarzt über einen in der Ortsmitte aufgehängten Zettelkasten. Die Tochter des Tierarztes fuhr dann morgens die Zettelkästen ab und der Vater stellte nach der Morgensprechstunde die Hausbesuchstour zusammen. Noch in den frühen 1980er Jahren!
In den Jahren ab 1945 begaben sich die französischen Besatzer im Hunsrück auf die Suche nach geeigneten Standorten für ein großes Munitionsdepot und einen Flughafen. Der französische Oberkommandierende Hettier de Boislambert, ein sehr gebildeter und weitgereister Mann -heute würde man sagen "Weltbürger"- sandte seine Offiziere aus um die Stimmung bei der Bevölkerung und möglichen Widerstand zu erkunden. Die Wahl fiel auf den Raum Morbach (Depot) und Büchenbeuren (Flughafen Hahn) - die Franzosen hatten erkannt, daß die Menschen hier -so notierten sie in ihren Aufzeichnungen- praktisch ohne große Gegenwehr alles über sich ergehen ließen.
So wurden in den Jahren 1945 bis 1951 zehntausende Festmeter Holz -Reparationshiebe genannt, in einigen Gemeinden bis zum Sechsfachen des Jahreseinschlags, überwiegend Buchenholz- über die Hunsrückbahn nach Frankreich abgefahren, während im Winter die Einheimischen frieren mußten.
Protest gab es kaum, auch vor Sabotage konnte man hier sicher sein.
Selbst in jüngerer Zeit konnte man eine interessante Beobachtung machen.
Während 1986 Tausende rund um Hasselbach an der Pydna zusammenkamen, um gegen die Cruise Missiles zu demonstrieren, ebbte der Protest Richtung Westen weitgehend ab. Auf dem Militärflughafen Hahn z.B. bekam die Friedensbewegung nie einen "Fuß in die Tür" obwohl auch hier alle paar Kilometer militärische Standorte (Wenigerath, Dickenschied, Weitersbach usw.), potentielle Raketenziele des Warschauer Paktes und bedeutend mehr Vernichtungspotential angehäuft war als im Raum Kastellaun.
Die Menschen hier, so scheint es, können sich irgendwie mit allem engagieren, mit stillgelegten Bahnstrecken, einer Papierfabrik mitten im Ort, die die Luft im "Luftkurort" und die Gesundheit seiner Bewohner ruiniert, mit dem infernalischen Lärm alter Frachtmaschinen, mit einem atombombensicheren Bunker (Erwin), einem früheren Imprägnierwerk, das halb Thalfang verseucht hat (Hammerstein) oder auch mit den Machenschaften mafiöser Strukturen, die es schaffen, daß ein neu mit öffentlichen Mitteln errichteter Schlachthof (Thalfang) gleich wieder schließen muß, weil der Mitbewerber in Wittlich seine politischen Connections ausspielt.
Auch der erste rheinland-pfälzische Nationalpark kommt nicht zufällig hier her.
Im Raum zwischen Hermeskeil, Morbach, Rhaunen und Birkenfeld ist halt noch vieles möglich, was andernorts starken Widerstand der Bevölkerung hervorrufen würde.
All diese Dinge wären z.B. in Rheinhessen oder der Pfalz heute gar nicht mehr möglich.
Deswegen werden hier auch Strecken reaktiviert, im Hunsrück dagegen stillgelegt.
Es ist schon ein ermüdendes Unterfangen, gegen dieses Desinteresse der Bevölkerung anzukämpfen, aber man sollte nicht resignieren.
Noch ist es nicht zu spät.
Wenngleich auch eines klar sein dürfte: Das Gros der 805 Unterschriften kommt nicht von Anliegern der Strecke