Re: Ochtendung lebt !!!
Verfasst: Di 16. Mär 2010, 22:33
Guten Abend Rolf,
ich habe kein "zurück zur alten Bahn" gefordert oder erwartet, sondern lediglich eine These über die Ursachen der Nebenbahn-Stillegung in der Eifel vertreten. Meinereiner wohnt sein Leben lang in der Westeifel und werde hier wohl auch bis zu meinem Tod nicht mehr wegziehen (müssen). Dennoch unterscheidet uns vor allem die Grundeinstellung: ich kann deinen Optimismus nicht teilen, sondern habe hier - in meinen Augen - einen Niedergang über Jahrzehnte erlebt, der sicher noch nicht am Tiefpunkt angekommen ist. Vielleicht liegen unsere derart unterschiedlichen Einstellungen am Wohnort? Denn wer hier im Dorf ein Elektro-Ing. werden will, zieht weg und somit aus meinem Blickfeld. Das war schon immer so. Das sich immer mehr verschärfende Problem ist aber, dass für diejenigen, die kein Elektro-Ing. werden wollen, hier immer mehr die Ausbilungs- und Arbeitsplätze ausgehen. Ich teile auch nicht deinen Optimismus, dass sich daran in absehbarer Zeit noch was ändert. Der Staat war eben in bestimmten dünn besiedelten Gegenden häufig ein wichtiger Arbeitgeber. Dabei teile ich auch deine Freude über die Effizienzsteigerungen nach der Privatisierung nicht, wenn man die heutigen Arbeitsbedingungen anguckt. Die Konsequenz der Effizienzsteigerung ist unter anderem der Kampf um Mindestlöhne, damit die Arbeitnehmer überhaupt noch von ihrer Arbeit leben können. Ebenso sind dies die "sozialen Kosten": Nur den Unternehmer freut es, wenn er die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer bis zum Maximum je Stunde gesteigert kriegt. Es ist aber nicht unbedingt eine Erhöhung des Lebensstandards und der Menschlichkeit. Um dem Kosteneinwand vorzubeugen: Die Kehrseite der Effizienzsteigerung ist in den steigenden Gesundheitskosten zu sehen. Man bedenke, was für gesundheitliche Folgen von Streß heute bekannt sind und was deren Behandlung jährlich kostet.
Um wieder auf das Thema Bahn einzuschwenken: Hier sehe ich auch eine berechtigte Kritik an den Ausschreibungen. Denn was zeichnet das kostengünstigere Unternehmen aus? Wenn es ein besonders innovatives Konzept oder der Kundenservice wäre... Doch dafür lassen die Ausschreibungen heute wenig Spielraum. Fast alle Faktoren sind ohnehin festgelegt. Die EVUs ordern daher häufig die gleichen Fahrzeuge - mit besseren oder schlechteren Möglichkeiten je nach Kapitaldecke. Es bleibt dann der Kostenfaktor "Personal", um sich von der Konkurrenz abzuheben. Denn just dazu gehen die Ausschreibungen sehr wenig ins Detail. Und das je nach Ausschreibungsgewinn hin- und her wechselnde Personal ist der "Faktor Mensch", der heute nicht mehr weiß, ob oder wo er nach Ende des Ausschreibungszeitraums noch arbeiten kann. Auch hier entstehen "soziale Kosten".
Man mag die These verteten, dass Deutschland kein Verlierer der Globalisierung ist und die Beschäftigungsquote relativ höher ist als in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dennoch finde ich die Behauptung einer "niedrigen Arbeitslosenquote" in Deutschland inakzeptabel. Wenn in einem Dorf 10% der arbeitswilligen Einwohner keine Arbeit haben, 5-10% dank irgendwelcher "Arbeitsprogramme" aus der Statistik verschwinden und weitere 10-20% nur noch auf Teilzeit oder Mini-Job tätig sind, dann finde ich das alarmierend!
Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir die Gründung eines Unternehmens wünschen, welche den hier jeden Abend an der Bushaltestelle saufenden Jugendlichen eine Perspektive anbieten könnte, falls sie sich für einen anderen Lebenswandel entscheiden. Die Karriere mancher "Hartz IV"-Familie wird dadurch geprägt, dass es Führerschein und Pkw bedarf, um in einer entfernten Stadt arbeiten zu können, aber das die Eltern nicht bezahlen können. 25jährige Erwachsene leben noch zu Hause (und benehmen sich wie Kinder), weil die Eltern noch wie zu längst vergangenen Zeiten für sie aufkommen müssen.
Die Bahn ist hier nur ein Teilaspekt, aber - um wieder auf das Thema zurückzukommen - eine Bahn als Arbeitgeber und zwecks Mobilität zur Hin- und Rückfahrt zu den Ausbildungsbetrieben in Koblenz, Trier oder sonst wo würde der Region schon sehr helfen.
Und all das wurde und wird eben in den Kalkulationen über Stillegung oder Reaktivierung einer Nebenbahn kaum bzw. gar nicht beachtet. Die Art und Weise der Kostenkalkulationen je Strecke bei der Bundesbahn sind aber wieder ein eigenes Thema für sich und da gäbe es auch noch einige weitere Kritikpunkte...
Gruß aus der Westeifel
ich habe kein "zurück zur alten Bahn" gefordert oder erwartet, sondern lediglich eine These über die Ursachen der Nebenbahn-Stillegung in der Eifel vertreten. Meinereiner wohnt sein Leben lang in der Westeifel und werde hier wohl auch bis zu meinem Tod nicht mehr wegziehen (müssen). Dennoch unterscheidet uns vor allem die Grundeinstellung: ich kann deinen Optimismus nicht teilen, sondern habe hier - in meinen Augen - einen Niedergang über Jahrzehnte erlebt, der sicher noch nicht am Tiefpunkt angekommen ist. Vielleicht liegen unsere derart unterschiedlichen Einstellungen am Wohnort? Denn wer hier im Dorf ein Elektro-Ing. werden will, zieht weg und somit aus meinem Blickfeld. Das war schon immer so. Das sich immer mehr verschärfende Problem ist aber, dass für diejenigen, die kein Elektro-Ing. werden wollen, hier immer mehr die Ausbilungs- und Arbeitsplätze ausgehen. Ich teile auch nicht deinen Optimismus, dass sich daran in absehbarer Zeit noch was ändert. Der Staat war eben in bestimmten dünn besiedelten Gegenden häufig ein wichtiger Arbeitgeber. Dabei teile ich auch deine Freude über die Effizienzsteigerungen nach der Privatisierung nicht, wenn man die heutigen Arbeitsbedingungen anguckt. Die Konsequenz der Effizienzsteigerung ist unter anderem der Kampf um Mindestlöhne, damit die Arbeitnehmer überhaupt noch von ihrer Arbeit leben können. Ebenso sind dies die "sozialen Kosten": Nur den Unternehmer freut es, wenn er die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer bis zum Maximum je Stunde gesteigert kriegt. Es ist aber nicht unbedingt eine Erhöhung des Lebensstandards und der Menschlichkeit. Um dem Kosteneinwand vorzubeugen: Die Kehrseite der Effizienzsteigerung ist in den steigenden Gesundheitskosten zu sehen. Man bedenke, was für gesundheitliche Folgen von Streß heute bekannt sind und was deren Behandlung jährlich kostet.
Um wieder auf das Thema Bahn einzuschwenken: Hier sehe ich auch eine berechtigte Kritik an den Ausschreibungen. Denn was zeichnet das kostengünstigere Unternehmen aus? Wenn es ein besonders innovatives Konzept oder der Kundenservice wäre... Doch dafür lassen die Ausschreibungen heute wenig Spielraum. Fast alle Faktoren sind ohnehin festgelegt. Die EVUs ordern daher häufig die gleichen Fahrzeuge - mit besseren oder schlechteren Möglichkeiten je nach Kapitaldecke. Es bleibt dann der Kostenfaktor "Personal", um sich von der Konkurrenz abzuheben. Denn just dazu gehen die Ausschreibungen sehr wenig ins Detail. Und das je nach Ausschreibungsgewinn hin- und her wechselnde Personal ist der "Faktor Mensch", der heute nicht mehr weiß, ob oder wo er nach Ende des Ausschreibungszeitraums noch arbeiten kann. Auch hier entstehen "soziale Kosten".
Man mag die These verteten, dass Deutschland kein Verlierer der Globalisierung ist und die Beschäftigungsquote relativ höher ist als in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dennoch finde ich die Behauptung einer "niedrigen Arbeitslosenquote" in Deutschland inakzeptabel. Wenn in einem Dorf 10% der arbeitswilligen Einwohner keine Arbeit haben, 5-10% dank irgendwelcher "Arbeitsprogramme" aus der Statistik verschwinden und weitere 10-20% nur noch auf Teilzeit oder Mini-Job tätig sind, dann finde ich das alarmierend!
Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir die Gründung eines Unternehmens wünschen, welche den hier jeden Abend an der Bushaltestelle saufenden Jugendlichen eine Perspektive anbieten könnte, falls sie sich für einen anderen Lebenswandel entscheiden. Die Karriere mancher "Hartz IV"-Familie wird dadurch geprägt, dass es Führerschein und Pkw bedarf, um in einer entfernten Stadt arbeiten zu können, aber das die Eltern nicht bezahlen können. 25jährige Erwachsene leben noch zu Hause (und benehmen sich wie Kinder), weil die Eltern noch wie zu längst vergangenen Zeiten für sie aufkommen müssen.
Die Bahn ist hier nur ein Teilaspekt, aber - um wieder auf das Thema zurückzukommen - eine Bahn als Arbeitgeber und zwecks Mobilität zur Hin- und Rückfahrt zu den Ausbildungsbetrieben in Koblenz, Trier oder sonst wo würde der Region schon sehr helfen.
Und all das wurde und wird eben in den Kalkulationen über Stillegung oder Reaktivierung einer Nebenbahn kaum bzw. gar nicht beachtet. Die Art und Weise der Kostenkalkulationen je Strecke bei der Bundesbahn sind aber wieder ein eigenes Thema für sich und da gäbe es auch noch einige weitere Kritikpunkte...
Gruß aus der Westeifel