Hallo,
ich m?chte im vollen Wortlaut einen Beitrag von Herrn Christopher Sch?fer im "Wiesbadener Tagblatt" vom 15.07.2008 einstellen, der sich mit der "Waldstra?e" besch?ftigt. Ich hoffe auf dessen srtillschweigendes Einverst?ndnis, immerhin sind die im Originaltext verwendeten beiden alten Bilder von mir
Wer die Quelle ?ber einen Link ansehen will, einerseits wegen der dortigen (von mir
hier per Hand eingestellten) Bilder, andererseits wegen der sonstigen Beitr?gen im "Wiesbadener Tagblatt:
http://www.wiesbadener-tagblatt.de/regi ... id=3355190
Am toten Gleis ein Paradies f?r stachelige Gesellen
Im Stellwerk Waldstra?e z?chtet Peter Lasser Kakteen/Dirk Enders hat das Inventar in den Westerwald gerettet
Das Signal zeigt Rot: Anfang der 80er Jahre entstanden diese beiden Fotos mit haltenden Triebwagen am Bahnhof Waldstra?e. Wenig sp?ter wurde die Strecke vom Wiesbadener Hauptbahnhof ?ber Henkellsfeld, Waldstra?e, Dotzheim, Chausseehaus und Eiserne Hand ins Aartal von der Bahn stillgelegt. Fotos: Andreas Tscharn
Kaktusbl?te: Peter Lasser zeigt stolz seine gelungene Z?chtung, die sich im Stellwerksgeb?ude an den Gleisen der Aartalbahn durchaus wohlzuf?hlen scheint. Foto: wita/Uwe Stotz
Vom 15.07.2008
W?hrend manche Bahnh?fe in der Bl?te ihres Lebens stehen, stehen andere still. Wir stellen die komplette Bandbreite von Stationen in unserer Region vor. Heute: Der ehemalige Bahnhof Waldstra?e.
Von
Christopher Sch?fer
Viele wissen gar nicht, dass es ihn gibt, vor fast genau 25 Jahren wurde er aus dem Verkehr gezogen. Der Bahnhof Waldstra?e ist als solcher nicht mehr erkennbar, nur vor den Treppen zum Gleis hinaufweist ein verwittertes Schild darauf hin, das Bahngel?nde nicht zu betreten. Einige Buchstaben sind l?ngst abgebl?ttert.
Ignoriert man dieses Verbot, st??t man, auf dem Damm angekommen, auf ein kleines H?uschen. Bis zur Stilllegung der Strecke 1983 wurde darin gearbeitet, es diente als Stellwerk f?r Weichen und Signale.
Heute hat es sich Peter Lasser darin gem?tlich gemacht. Lasser, 56, hager und braungebrannt, hat H?uschen und einige Quadratmeter Garten von der Bahn gepachtet. Er sitzt auf einem Gartenhocker unter dem kleinen Vordach, hat die Beine ?bereinander geschlagen. Warum er ausgerechnet ein ehemaliges Stellwerk zu seinem Schrebergarten erkoren habe? "Das war sehr g?nstig, und der Vormieter wollte nur wenig Abstand daf?r haben." Lasser grinst. Ein Schn?ppchen.
Seit vergangenem Jahr hat der Am?neburger mehr Zeit. Der Industriemeister Metall wurde arbeitslos. Die Ex-Linde-K?hltechniksparte aus Kostheim hatte ihre Produktion nach Tschechien verlagert. Da habe seine Frau gesagt: "Du hattest doch immer Spa? am Garten, komm, den holen wir uns." Also schlug er Anfang Januar zu.
Heute schmei?t er f?r seine Frau und die drei erwachsenen S?hne zwei- bis dreimal die Woche an lauschigen Abenden den Barbecue-Grill an, br?t W?rstchen. Tags?ber k?mmert er sich um seine Liebsten der etwas anderen Art. Kakteen - schmale, dicke, runde, kantige in allerlei Gr??en. Im neuen Garten musste er sie unterbringen, die Wohnung wurde zu eng f?r die hundertfache Sammlung plus Ableger. Einige stehen im Freien, f?r viele musste er ein Gew?chshaus aufstellen, deutschen Regen m?gen die meisten Kakteen nicht.
Kakteen im Stellwerk. Das h?tte sich "der General" wohl nicht tr?umen lassen. Der Fahrdienstleiter, der bis in die 80er Jahre hinein an der Waldstra?e Weichen und Signale stellte, war bekannt f?r sein zackiges Auftreten. "Seine Uniform sa? milit?risch exakt, die Kelle f?r die abfahrenden Z?ge ging stets kerzengerade nach unten." Daran kann sich Eisenbahnfan Dirk Enders, 39, noch genau erinnern. Als Bub stromerte er h?ufig mit Kumpels nach der Schule auf dem Gel?nde herum. In der N?he hatten seine Eltern (der Vater war Bahnhofsvorsteher des Hauptbahnhofs) einen der G?rten, die sie von der Bahn als Lohnzusatz gestellt bekamen. Das Bahnhofsgeb?ude selbst, in dem heute eine Firma f?r T?rsprechanlagen ihren Sitz hat, wurde schon in den 60er Jahren nicht mehr als solches genutzt. Durch das Haus hindurch ging es unterirdisch vorbei an den Fahrkartenschaltern die Treppen hinauf Station
auf die beiden Gleise. "Sehr belastet" habe ihn die Einstellung der Strecke 1983, "das war schlie?lich ein Teil meines Lebens". Mit 50 bis 60 Stundenkilometer seien die Z?ge damals dort langgefahren. In regelm??igen Abst?nden, ?ber Dotzheim in den Taunus - und auch wieder zur?ck ?ber Henkellsfeld zum Hauptbahnhof.
Still ist es geworden am Bahnhof Waldstra?e. "Manchmal ist es so leise", findet Peter Lasser, "da empfindet man sogar das Vogelgezwitscher als st?rend." Zweimal sei auf der eigentlich stillen Strecke seit Januar ein Gef?hrt auf den Gleisen langgeschlichen: Eine Lok hatte sich verfahren, einmal habe ein Ausbilder der Bahn seinen Azubis in orangenen Westen einen Streifzug durch die Geschichte geboten, nimmt Lasser an. Und freundlich ins Stellwerk hineingegr??t. "Da habe ich nat?rlich zur?ckgewunken", sagt Lasser. Wenig Verkehr also insgesamt. "Etwas mehr Verkehr f?nde ich gut, das w?re doch ganz abwechslungsreich."
Zum Stellwerksgrundst?ck dazu gab es eine noch etwas gr??ere Scholle. Vorbei an wild wuchernden Brombeeren, 100 Meter weiter den Bahnsteig entlang Richtung Dotzheim auf der anderen Seite: Eine gr?ne Oase, der Gegensatz zur kargen Kakteenwelt. Tomaten, Kohlrabi sprie?en, nebenan pl?tschert Wasser in einen runden Goldfischteich.
Mit dem Stellwerk selbst hat Peter Lasser, der aus einer Tischlerfamilie stammt, noch einiges vor. Holzpaneelen f?r die Au?enw?nde schweben ihm vor. "Das muss schon was hergeben." Die Innenr?ume, in denen die Bl?mchentapeten von den W?nden rollen, sollen auch noch dran kommen. Neulich hat er die maroden Regenrinnen durch neue ersetzt. Die Bahn versprach ihm daf?r Pachterlass. F?r alte Liegenschaften ist kein Geld mehr da beim Berliner Konzern.
In dem flachen H?uschen erinnert nicht mehr viel an die Bahn. Sicherungen und Stromz?hler sind noch geblieben. Und ein grauer Schalterkasten. Ein Teil des Stellwerks Waldstra?e lebt ?brigens im Westerwald fort. Der Blockschrank, mit dem sich der "General" mit anderen Fahrdienstleitern ohne Worte verst?ndigen konnte, steht im Eisenbahnmuseum von Eisenbahnfan Dirk Enders in Dornburg-Wilsenroth. "Der ist bei mir in Sicherheit", sagt er. Die Waldstra?e liegt dem ehemaligen Wiesbadener auch im zugigen Westerwald noch immer am Herzen.
Lesen Sie morgen:
Die Stimme der Gleise geh?rt Enrico Neumeister
Die Beitr?ge dieser Serie finden Sie im Internet unter
www.wiesbadener-tagblatt.de/region/serie/station
Herzlich
Andreas T
P.S.:
M?sste ich den Beitrag eigentlich in das Forum "au?erhalb der Region" verschieben, nachdem die Aartalbahn jetzt nicht mehr zur Region geh?rt ?!?