Wenn ich Euch richtig verstehe, haltet Ihr es für einen volkswirtschaftlichen Fehler, dass die Bahn in den letzten Jahrzehnten personalmäßig dramatisch verschlankt wurde, um Kosten zu senken, weil die eingesparten Personale an anderer Stelle dann wieder den Staatshaushalt als Arbeitslose belasten.KoLü Ksf hat geschrieben:...Volkswirtschaftlich gesehen muss ich Horst Heinrich völlig recht geben. ...
Dem kann ich nicht zustimmen. Erstmal ist es nicht Aufgabe der Bahn, eine soziale Auffanggesellschaft des Staates zu sein. Zu Ende gedacht hieße das nämlich, dass der (künstlich) aufgeblähte Arbeitgeber Bahn insbesondere solchen Leuten Arbeit und Brot gibt (Besoldungsgruppe A8 abwärts, s. o.), die am Arbeitsmarkt nicht oder nur schwer vermittelbar sind. Wer gut ist, findet einen besser bezahlten Job abseits der Bahn. Diejenigen, die keinen besseren Job bekommen, dürfen dann bei der Bahn was finden (Schrankenwärter oder so). Das Ergebnis wäre eine Negativauslese und würde der Bahn kaum zur Zier gereichen.
Zweitens wurde das soziale Problem schon mal so kaschiert wie es hier scheinbar gewünscht wird, nämlich in der DDR. Dort hatte jeder Betrieb Personalüberhang mit den ganzen bekannten Folgen (ich spare mir die Details). Weit ist die DDR mit diesem Prinzip nicht gekommen. Ich kannte ja schon den recht gemütlichen Betrieb der alten Bundesbahn (mein Vater war dort 45 Jahre Beamter in so hoher Stellung, dass er vielfältige Einblicke bekommen und uns Kindern einiges davon erzählt hat), aber was ich bei einer Visite in DR-Betriebswerk Glauchau/DDR 1987 zu sehen bekam, schlägt das noch um Längen. Mir wurde schlagartig klar, warum dieses System so schlecht funktionierte. Die DDR hat ihre Arbeitslosen gewissermaßen in den Betrieben „versteckt“, da sind sich alle Ökonomen ziemlich einig. Und dass das nicht gut gehen konnte, ist am praktischen Beispiel mehr als erwiesen, auch wenn sicher noch ein paar andere Defizite hinzukommen, die dem System der DDR den Garaus gemacht haben.
Ich sehe zwischen einem A8-besoldeten (und pensionsberechtigten) Beamten schon einen sehr großen Unterschied zum Hartz-IV-Empfänger. Der Beamte kostet deutlich mehr.
Fazit: Eine personalintensive, altmodische, aufgeblähte DB ist für mich keine Alternative zur „verschlankten“ Bahn. Solange die DB ein Kostgänger des Steuerzahlers ist, hat der auch ein Recht darauf, wenigstens eine möglichst hohe Effizienz dieser defizitären DB einzufordern. Ich bestehe sogar darauf.
Um nicht falsch verstanden zu werden. Vieles von dem, was hier geschrieben wurde, unterschreibe ich. Aber ich unterschreibe nicht, dass die DB sozialer Reparaturbetrieb des Staates sein sollte. Wer glaubt, dass das Sinn macht, betrachtet die Welt in meinen Augen zu sehr durch die rosarote Brille. Im doppelten Sinne. Vielmehr fände ich es ehrlicher, wenn man Arbeitslosen beispielsweise die Möglichkeit eröffnen würde, sich als „Hilfsschaffner“ oder ähnliches nützlich zu machen. In dem Maße, wie Zerstörungen zurück gehen, könnte man die Betreffenden mit einem angemessenen Aufgeld entlohnen. Wenn auf jedem Zug jemand mitfahren würde, der nichts anderes macht als aufpassen, wäre schon viel gewonnen. Einige Städte überlegen ja schon, Arbeitslose als Aufpasser auf Straßenbahnen mitfahren zu lassen. Eine gute Idee, finde ich.
Schlussendlich möchte ich feststellen, dass ich den Abbau der Strecke zw. Koblenz und Mayen natürlich auch bedauere (auch wenn ich den Fahrradweg auf der Trasse traumhaft schön finde und gerne nutze), aber die damalige „Behördenbahn“ war einfach noch nicht reif für moderne Lösungen. Die Bahnfreunde vielleicht, aber die Mehrheit der Bevölkerung nicht. Die wollte lieber Auto fahren. Und da die Politik durch Wahlen entschieden wird, hat man Straßen gebaut, um wieder gewählt zu werden, und (unsystematisch) Strecken stillgelegt, wenn das Bahndefizit zu groß zu werden drohte. So einfach ist das. Ein Politiker, der ganz offen gefordert hätte, mehr Geld in die Bahn zu stecken und entsprechend weniger in den Straßenbau, hätte dafür keine Mehrheiten gefunden. Man erinnere sich: Staatsziel war es, jedem Bürger einen Autobahnanschluss zu garantieren, der max. 25 km vom Heimatort entfernt ist. Das war damals der Zeitgeist! Die Mehrheit der Bürger wollte lieber Straßen statt Bahnen. Und wenn man sieht, wie gering der Anteil des öffentlichen Personenverkehrs am Gesamtaufkommen im Vergleich zum KFZ auch heute noch ist, würde eine Abstimmung auch heute wohl kaum anders ausfallen.
Die Schweizer sind da sicher ganz anders ‚drauf’, keine Frage. Aber die Schweiz ist ein reiches Land. Man ist dort bereit, sich den Luxus einer teuren, im positiven Sinne altmodischen Bahn zu leisten. Die Mehrkosten werden in der Schweiz, das ist dort Mehrheitsmeinung, vom Steuerzahler übernommen. Doch auch in der Schweiz gibt es Personalkürzungen; der Druck ist auch dort vorhanden, das Defizit nicht ausufern zu lassen. In Deutschland würde sich vermutlich keine Mehrheit finden für eine dauerhaft bezuschusste Bahn. Hier im Forum bestimmt, aber nicht draußen im „Rest der Welt“. Davon bin ich überzeugt.