Westeifelbahner hat geschrieben:...Richtig ist: Es ist ein Trauerspiel, dass ein einziges Gutachten, also die Einschätzung eines einzigen Gutachters, über das Schicksal einer ganzen Bahnstrecke und damit einer ganzen Region unhinterfragt entscheiden konnte....
Nicht der Gutachter entscheidet über die Zukunft der Strecke, sondern die Politik. Zweifelsohne (bisher) unhinterfragt. Es wäre somit ein Trauerspiel, auf welch' zweifelhafter Grundlage die Politik in der Vulkaneifel bzw. im Land gegen die Bahn entschieden hat, wenn es denn tatsächlich so wäre, dass hier ein einziges Gutachten entscheidend gewesen sein sollte. Ich habe da allerdings Zweifel, dass der Sachverhalt so monokausal zu interpretieren ist (vielleicht war das genannte Gutachten allerdings die finale "Grabplatte"). Schließlich gibt es ja eine ganze Reihe von Gutachten, und selbst ein in Sachen Bahn wenig bewanderter Kommunalpolitiker hätte beim genaueren Studium erkennen können, welche eklatanten Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Gutachten bestehen. Der Verein hat diese mittlerweile ja sehr deutlich herausgearbeitet, und sie springen auch förmlich ins Auge. Sollte ein verantwortungsvoller Politiker diese Ungereimtheiten nicht erkennen können? Ich glaube schon, denn für so blind halte ich die Beteiligten auch nicht! Und wenn es nicht Blindheit oder gar Naivität war, was schon schlimm genug wäre, kommt nur noch Absicht in Frage. Für mich erhärtet sich somit der Verdacht zur Gewissheit, dass die Gutachten bzw. das o. g. Werk nur den Zweck hatte(n), dass sich die Politik (zuvorderst das Land) hinter den/dem Gutachten verstecken kann, wenn es am Ende heißt, zu teuer, stattdessen wollen wir den (angeblich billigeren) Fahrradweg. Ich teile daher die Ansicht des Vereins bzw. von Jens, dass die Strecke totgerechnet wurde; ob nun fahrlässig oder mit Absicht, spielt am Ende keine Rolle. Die Geheimhaltung der Gutachten spricht allerdings für Letzteres, und schließlich auch die Frage "cui bono" (wem nützt es)? Dazu möchte ich etwas ausholen.
Es mag sein, dass sich die Lokalpolitik teilweise/zeitweise bzw. einzelne Politiker ehrlich für den Erhalt der Strecke ausgesprochen hat. Aber m. E. nur so lange, wie der SPNV (noch) zur Debatte stand (Option 1). Der wäre ja für die Kommunen kostenneutral gewesen und den SPNV hätte man "für lau" sicher gerne mitgenommen. Der SPNV wurde aber mit den überhöhten Standards (absichtlich oder nicht) „totgerechnet“ (40 Mio.). Und wem nützt es? Natürlich dem Land, das die Kosten zu tragen gehabt hätte; ich würde für das Scheitern des SPNV die Schuldigen daher vorrangig in Mainz suchen und nicht in der Vulkaneifel. Vielleicht hat die Landesregierung die hohen Kosten gescheut, vielleicht aber auch die Gefahr gesehen, dass die Strecke nicht gut laufen könnte und dass das dann wieder ein gefundenes Fressen für die Kritiker wird. Mir erscheint die nach wie vor SPD-geführte Landesregierung sehr zögerlich, wenn es um etwas riskantere Infrastruktur-Zukunftsprojekte geht. Das ist aber auch kein Wunder, wenn man sich vor Augen hält, dass die Investitionen in die Projekte Hahn und Nürburgring zum Desaster führten. Das hat den Verantwortlichen viel Kritik, Häme und Spott eingebracht, und der Name des früheren Ministerpräsidenten Beck ist für alle Zukunft mit diesen Fehlentscheidungen konnotiert. Entsprechend vorsichtig, ja ängstlich und im Falle der EQB sogar ZU vorsichtig agiert man daher in Mainz, oder eben auch nicht. Im Zweifelsfall bewegt sich diese Regierung gar nicht, um nichts falsch zu machen, was natürlich ebenso fatal ist. Mutige Entscheidungen wird man von dieser Regierung nicht (mehr) erwarten können. Das gebrannte Kind scheut das Feuer.
Damit blieb nur die Option 2, der touristische Verkehr. Dass es mittlerweile möglicherweise eine 3. Option gibt, nämlich dass Eisenbahnunternehmen die Strecke vielleicht kaufen (nichts ist in trockenen Tüchern), war zum Zeitpunkt der relevanten Entscheidungen nicht absehbar und stand daher auch nicht zur Debatte.
Nachdem Option 1 gestorben war, stand also Option 2 zur Debatte. Die Reaktivierung der Strecke für touristische Verkehre aber hätten die Gemeinden über die bekannte Beteiligung in Höhe von 15% mitfinanzieren müssen. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt war das ehrliche Interesse der Kommunen m. E. nicht mehr vorhanden (bzw. nur vorgeschoben). Die letzten Gutachten mit den hohen Reaktivierungskosten (24 Mio. Euro) waren also ein willkommenes „Argument" gegen eine touristische Reaktivierung. Deswegen wurde es auch nicht hinterfragt! Mittlerweile hat die Kommunalpolitik ja die Maske fallen lassen und sich einmütig für den Fahrradweg ausgesprochen. Vermutlich glaubt die Lokalpolitik sogar tatsächlich, dass der Fahrradweg am Ende billiger und nützlicher wäre als eine touristische Bahn-Reaktivierung. Dass dies eine Milchmädchenrechnung und am Ende nicht zukunftsweisend ist, dürfte hier im Forum hinreichend diskutiert worden sein und der Verein hat das ja nun auch ausführlich begründet.
Es kommt also für die Zukunft darauf an, dass der Verein die bisher gar nicht bzw. contra Bahn informierte Öffentlichkeit auf seine Seite bringt und schließlich auch die Kommunalpolitik zu Gunsten der touristischen Reaktivierung umstimmt, bevor diese kurzsichtig den Fahrradweg durchdrückt. Ein regulärer SPNV wäre natürlich die beste Variante, aber das ist vorerst wohl (noch) ein zu großer Brocken, zumal die Verantwortlichen in Mainz mehr Bremser als Antreiber sind. Auf absehbare Zeit sehe ich nur in Option 2 und vielleicht in Option 3 (falls es tatsächlich zum Ankauf kommt, was ich zu den kolportierten Konditionen allerdings für wenig realistisch erachte) eine Chance, die Strecke vor kurzsichtigen politischen Fehlentscheidungen zu bewahren. Fazit: Am Ende sind nicht die verschiedenen Gutachter oder gar einzelne Gutachten entscheidend, sondern die Politik in Mainz und vor Ort, denn die sollte die sich widersprechenden Gutachten kritisch, ausgewogen und vor allen Dingen ergebnisoffen bewerten. Und vor allem sollte die Politik extrem zurückhaltend sein, unersetzbare Infrastruktur kurzsichtig der Vernichtung preiszugeben. Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Dass man in Mainz nach der Einstellung der Verkehre Ende 2012 nicht in die Bahn (und andere Infrastrukturprojekte) investieren wollte, hatte aber noch einen anderen Grund. Damals waren die Zinsen noch vergleichsweise hoch, die Landeshaushalte und die der Kommunen defizitär und die Schuldenbremse saß den Verantwortlichen im Nacken. Mittlerweile hat die Nullzinspolitik der EZB aber völlig neue Rahmenbedingungen geschaffen. Selbst hoch verschuldete Kommunen und Kreise stehen plötzlich mit einem positiven Saldo da, weil sie sich für lächerliche Beträge refinanzieren können. Der Bund kann sich sogar Minuszinsen erlauben. Und daran wird sich mit der neuen EZB-Chefin auf absehbare Zeit nichts ändern (in Japan geht das schon seit Jahrzehnten so), denn andernfalls geht Italien pleite und der Euro platzt. Das will keiner. Also wird es in Sachen Zinsen so weiter gehen. Ferner steuern wir gerade auf eine Rezession zu. Das heißt, es gibt viele
neue Gründe,
jetzt in die Infrastruktur zu investieren und die Reaktivierung nach 7 Jahren Stillstand, (auch) unabhängig von den Gutachten, ganz
neu zu bewerten:
1. Die weitaus bessere Haushaltslage,
2. Die anstehende Rezession, die Konjunkturpakete der öffentlichen Hand fordert (wie zuletzt bei der Krise vor 10 Jahren),
3. Die neuerdings heiß diskutierte Verkehrswende weg vom Auto, weg vom CO2
Die Lage ist also eine völlig andere als vor 7 Jahren und vorrangig in Mainz muss endlich ein Umdenken stattfinden. Das Geld ist doch da bzw. kann zu lächerlichen Konditionen aufgenommen werden. Und was gibt es da Sinnvolleres als Investitionen in die Infrastruktur?
Dem Verein ist daher absolut zu danken, dass er das Thema Reaktivierung mit guten Argumenten in die Öffentlichkeit trägt, was ja bisher kaum der Fall war, und die Kommunalpolitik im ersten Schritt daran hindert, vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist daher sehr wichtig, und sie läuft ja auch auf vollen Touren. Und das ist gut so. Daher kann es nur heißen: Weiter so!