Fast vergessen: Die Niederkirchspiel-Eisenbahn (m.B.)

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Lochris
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Fast vergessen: Die Niederkirchspiel-Eisenbahn (m.B.)

Beitrag von Lochris »

Heute mal etwas zu einer schon komplett aus der Wahrnehmung verschwundenen Kleinbahn. Sie verband das sogenannte Niederkirchspiel, zu dem die heutigen Bopparder Stadtteile Herschwiesen, Windhausen, Hübingen und Oppenhausen, sowie Kröpplingen gehören, mit dem DB-Bahnhof Buchholz.

Eine kleine Geschichtsübersicht:
Bereits zur Eröffnung der Hunsrückbahn-Steilstrecke 1908 waren Pläne für eine Schmalspurbahn vorhanden, aber erst 1911 wurde mit dem Bau begonnen. 1913 wurde die Strecke mit einer Gesamtlänge von nur 6,2 Kilometern eröffnet. Die verwendete Spurweite war 750 mm.

Das Streckenband weist folgende Stationen aus:
Bahnhof Buchholz N.E. km 0.0 (zweiständiger Lokschuppen, Drehscheibe, Laderampe)
Haltepunkt Buchholz Ort km 1.0
Haltepunkt Buchholz West km 2.1
Haltepunkt Windhausen km 4.3
Bahnhof Oppenhausen km 5.0 (drei Gleise, Laderampe)
Bahnhof Kröpplingen km 6.2 (kleiner Lokschuppen, Wendedreieck)

Die Strecke verlief am Ort Buchholz vorbei (heutige Kastanienstraße), dann folgte sie der Landstraße Richtung Herschwiesen. Der Haltepunkt Windhausen lag am Abzweig der Straße nach W. und damit etwa 300 Meter vom Ort entfernt. Der Bahnhof Oppenhausen lag genau zwischen O. und Herschwiesen, jeweils etwa 400 Meter entfernt. In Oppenhausen gab es drei Gleise, eine Laderampe und ein sehr kleines Empfangsgebäude. Der Endpunkt Kröpplingen hatte vermutlich nie ein ernsthaftes Verkehrsbedürfnis, es ist fraglich, warum die Bahn überhaupt bis dorthin gebaut wurde. Es gab dort statt einer Drehscheibe eine Konstruktion, in der man eine Lok über Dreiecksfahrten wenden konnte.

Der Fahrplan sah zunächst zwei Personenzüge täglich vor. Am Morgen hatten die Schüler in Buchholz Anschluss an den Zug nach Boppard, mittags vermutlich andersherum. Später wurde eine zusätzliche Abendfahrt eingeführt.
Für die gesamte Strecke brauchte ein Zug etwa 15 Minuten, die Höchstgeschwindigkeit dürfte demnach um die 30km/h gelegen haben.
Der spärliche Güterverkehr wurde nach Bedarf abgewickelt, oft gab es nur zwei Züge pro Woche. Verladen wurde nur in Oppenhausen und Buchholz, transportierte Güter waren vor allem landwirtschaftliche Produkte und Holz.

Über den Fahrzeugeinsatz ist so gut wie nichts bekannt. In den letzten Betriebsjahren fuhr wohl nur eine einzige LKM-Diesellok, die auch auf den Fotos zu sehen ist. Die Herkunft und der Verbleib des Fahrzeugs sind unbekannt, ebenfalls, wie es damals in den Westen kam.
Im Herbst 1961 wurde der Betrieb eingestellt (vermutlich endete der Personenverkehr schon einige Zeit vorher) und wenig später auch die Gleise abgebaut. Heute noch vorhanden ist das Bahnhofsgebäude in Buchholz (im Gegensatz zum DB-Bahnhof). Es ist aber durch Umbauten kaum noch zu erkennen und wird als Hotel genutzt. Alle anderen Bauten wurden beseitigt. In Oppenhausen ist auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände ein Schotterplatz angelegt. Auch Kröpplingen bietet keinen Hinweis mehr auf die Bahn, die Fläche am Ortseingang ist nun ein Buswendeplatz (welcher übrigens auch nur noch nach Bedarf hierher fährt).

Auf der Trasse verläuft heute der Rhein-Mosel-Radweg, dessen Infotafeln allerdings leider keinerlei Hinweis auf die Geschichte beinhalten. In Buchholz ist die Trasse teilweise überbaut.


Nun noch die zwei Fotos, die nach meinem Wissen die beiden einzigen dieser Bahn sind. Sie entstanden kurz vor dem Ende, eventuell sogar erst im Jahr 1961. Ich bekam die Bilder vor kurzem mit den spärlichen Informationen von einem Bekannten aus Oppenhausen.

Hier ist die erwähnte Diesellok zu sehen, sie überquert gerade als Lz den Übergang an der Moselstraße in Oppenhausen. Die Person im Führerstand scheint wohl der Sohn oder ein Bekannter des Lokführers zu sein. Die Farbe der Lok ist nur zu erraten, es könnte ein helles rot gewesen sein.
Bild

Vermutlich am selben Tag kehrt sie zurück, aufgenommen in der Steigung bei Kröpplingen. Wie man sieht, wurde das Wendedreieck dort bis um Schluss genutzt, um bequemer fahren zu können. Die Gleislage ist auch kleinbahntypisch. Was die Lok am Haken hat, ist nicht erkennbar.
Bild


Wenn jemand weitere Infos oder gar Bilder hat, wäre ich sehr dankbar, wenn die hier geteilt werden würden! Eventuell gibt es damnächst mal einen Bericht mit aktuellen Fotos der Orte.
eifelhero
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Re: Fast vergessen: Die Niederkirchspiel-Eisenbahn (m.B.)

Beitrag von eifelhero »

Erst dachte ich,
oh, eine Kleinbahn von der du noch nie etwas gehört hast. :shock:
Dann habe ich mir den Text durchgelesen, sehr interessant. :!:
Und als ich damit fertig war, dachte ich stop mal, LKM ganz tief im Westen? :idea:
Und dann fiel mir das Datum ein. :lol: :lol: :lol:
Fast hätte es bei mir geklappt.
Christian, ein sehr gut gemachter Aprilscherz!
gruß aus der Eifel
Heinz

Am besten halten wir die Welt einfach mal kurz an und lassen die ganzen Idioten aussteigen.
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Andreas T
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Re: Fast vergessen: Die Niederkirchspiel-Eisenbahn (m.B.)

Beitrag von Andreas T »

Hallo,

danke für diesen hervorragenden Artikel über eine zu recht vergessene Eisenbahnstrecke. Der Artikel wäre einen eigenen Wikipediabeitrag wert - oder doch besser bei http://www.stupidedia.org/stupi/Stupidedia:Hauptseite ?

Es grüßt erheitert

Andreas T

Gute Eisenbahnfotografie zeigt sich in der Kunst, der Eisenbahn einen würdigen Rahmen Natur zu verleihen.

(frei nach Peter Müller)

Meine Beitrags-Linklisten (derzeit unvollständig und problematisch):http://forum.hunsrueckquerbahn.de/viewt ... 15&t=50299
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Lochris
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Re: Fast vergessen: Die Niederkirchspiel-Eisenbahn (m.B.)

Beitrag von Lochris »

Schön, dass ich wenigstens ein paar Lesern eine Freude machen konnte :wink: .
Leider gab es nie eine Feldbahn im Niederkirchspiel. Die Situation (ländliche Anbindung an naheliegenden Bahnhof) ist zwar typisch, aber Entfernung und Besiedelung waren wohl viel zu gering. Vorbild für die Diesellok war die V6 aus Asbach (also doch LKM tief im Westen, wenn auch viel später).

Viele Grüße,
Christian
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