Wie schlimm es um die Abhängigkeit von diesen Dingern bestellt ist, zeigt folgende kleine Geschichte:
Bf. Westerburg, Zug nach Limburg, im Führerraum sitzen mein Azubi und ich links daneben. Eine junge Frau mit Koffer steht auf dem Zwischenbahnsteig (Richtung Altenkirchen) und beäugt kritisch abwechselnd unseren Zug bzw. dessen (wohlgemerkt korrekt auf "Limburg (Lahn)" eingestellte) Zielbeschilderung und ihren Hirnersatz in der Hand...
Zum Glück haben wir einen längeren Kreuzungsaufenthalt, denn erst nach Minuten schnappt sie sich mit der freien Hand ihren Koffer, und nähert sich (auf der falschen Bahnsteigseite) unserem Führerraumfenster. Mein Azubi gibt ihr auf die (durch die Anzeige an der Front eigentlich überflüssige) Frage "Fahren Sie nach Limburg?" - inzwischen leider Standard, diese völlig überflüssigen Fragen - die korrekte Antwort "Ja", woraufhin sie wieder auf ihr Mistding glotzt. "Ja, wie komme ich jetzt da rein?" - dafür gibt es wohl keine App...mein Azubi sagt ihr korrekterweise: "Naja, normalerweise vom anderen Bahnsteig....".
Erneute Verzweiflung, wie sie denn nun dorthin käme...

den Reisendenüberweg, den sie Minuten zuvor benutzt hatte, hat sie wohl schon vergessen...
Normalerweise bestehen wir (wegen des Höhenunterschieds) auf die richtige Bahnsteigseite, aber als mein Azubi gerade die linken Türen freigibt, und sie auffordern will, mit der nötigen Vorsicht einzusteigen, dampft sie Richtung Überweg ab - entweder gab es auf ihrem Handy eine Luftbild-Äpp oder so, oder sie hatte ihn tatsächlich visuell erfaßt. Während des Bahnsteigwechsels starrt sie erneut ungläubig auf die stirnseitige Anzeige. Immer noch mit Handy in der Hand klopft sie dann auch an meiner Seite an...hierfür muß sie den Koffer wieder abstellen...
"Fahren Sie nach Limburg?" wiederholt die offenbar nur mit extremem Kurzzeitgedächtnis ausgestattete Dame auch bei mir ihre Frage, worauf ich (langsam leicht genervt ob dieses schrägen Verhaltens) erwidere: "Ja, immer noch, wie oft möchten Sie das denn noch bestätigt haben?" - endlich steigt sie ein...
...und klopft an den Führerraum - nach wie vor mit dem in der Hand eingewachsenen Gehirnersatzgerät. "Jetzt muß ich aber doch noch mal fragen, Sie fahren wirklich nach Limburg? Denn hier steht 'Gleis 3'!" - und hält mir ihr Deppengerät unter die Nase. Nun reicht es mir, und ich sage (wohlgemerkt in ruhigem Ton) zu ihr: "Gute Frau, Sie haben nun zwei Mitarbeiter im Zug befragt, sich von den Zielbeschilderungen überzeugt, abgesehen davon gibt es noch Schilder am Bahnsteig, die die Richtung angeben, und sie zweifeln immer noch, weil Ihr blödes Handy was anderes sagt? Tun Sie mir einen Gefallen, da ist ein Mülleimer, schmeißen Sie es dort hinein, und versuchen Sie einmal, eine Weile analog zu überleben....! Oder glauben Sie ihrem Gerät, und gehen sie wieder da rüber, der andere Zug kommt jeden Moment,
der fährt ja nach Limburg, weil Ihr Mistding dort das sagt...!".
Manchmal fehlen einem die Worte, in diesem Fall kamen sie von selbst...
Ebenso mußte ich am vergangenen Mittwochmorgen meinem Disponenten davon unterrichten, daß mein Smartphone (Ja, ich hab so eins, für Fahrplan- und kurzfristige Telefonauskünfte etc. ziemlich praktisch, ich nutze das Ding aber max. so ca. 15-20 min. am Tag) daheim auf dem Wohnzimmertisch läge - ich meldete vom Fdl aus zum Dienst - worauf auch er ganz entsetzt fragte: "Wie? Dann bist Du den ganzen Tag nicht erreichbar?". Ich erklärte ihm, daß es durchaus möglich sei, meinen Standort durch Fahr- und Umlaufpläne festzustellen, und dann den jeweiligen Fdl zu bitten, mir einen Rückrufwunsch auszurichten - immerhin hätte das in den 150 Jahren Eisenbahn vor der "Ständig erreichbar"-Ära auch geklappt....es war ein wunderbar ruhiger Tag im Führerraum!
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
"Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...!"
Konrad Adenauer